Radikale Inszenierung?

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.
Eine Polizeiaktion in Berlin sorgt derzeit in der linken Hauptstadt-Szene für Verwirrung. In der Nacht zum Dienstag hatte der Staatsschutz nach eigenen Worten »einen empfindlichen Schlag gegen den Linksextremismus« gelandet. Dabei habe man »die nahezu vollständige Ausgabe einer konspirativ hergestellten Zeitschrift« sichergestellt. Außerdem wurden ein 44-Jähriger und sein 20 Jahre alter Sohn vorübergehend festgenommen. Eine Mitteilung der Berliner Polizei legte zudem den Schluss nahe, dass es sich bei der Zeitschrift um eine neue Ausgabe der autonomen Szene-Postille »radikal« gehandelt hat. In einschlägigen Foren wird nun heftig über die Polizeiaktion spekuliert. Demnach könnte es sich ebenso um eine Inszenierung des Staatsschutzes gehandelt haben, der mal wieder einen Erfolg vorweisen wollte. Dafür spräche, dass »radikal« bereits seit mehreren Jahren nicht mehr erschienen sei und bereits im Sommer 2004 eine zwar gleichnamige Publikation kursierte, die mit der ursprünglichen Zeitschrift nichts zu tun gehabt habe. Angesichts der zwei Festnahmen wird andererseits aber auch vor voreiliger Entsolidarisierung gewarnt. Gegen die beiden Männer wird nun »wegen der Vorbereitung eines Explosions- und Strahlungsverbrechens« ermittelt. Angeblich, weil die beschlagnahmten rund 500 »radikal«-Exemplare »Bauanleitungen zum Herstellen von wirkungsvollen Brandsätzen« enthalten hätten. Dass Bastelpläne für Molotow-Cocktails heute recht einfach im Internet zu finden sind, die Polizei aber dennoch mit »rund 100 Beamten« zur Durchsuchung anrückte, bestärkt offenbar die Zweifel an der Polizei-Version. Die »radikal« war Mitte der 70er Jahre als Berliner Stadtteilzeitung gegründet worden. 1980 vollzog die Redaktion den »Bruch mit großen Teilen der Szene« und änderte den Untertitel von »sozialistische Zeitung für Westberlin« in »Zeitung für unkontrollierte Bewegungen«. Bis Mitte der 90er Jahre galt das Blatt dann als wichtiges Debattenorgan der radikalen und autonomen Linken. Der Staat zettelte deshalb bereits zahlreiche Verfahren gegen angebliche Blattmacher und Unters...

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