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  • Politik
  • Eugen Emmerling vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels:

Bücher sind Waren besonderer Art

  • Lesedauer: 4 Min.

? Ist die grenzüberschreitende Buchpreisbindung mit der Entscheidung der EU-Kommission hinfällig?

Zunächst einmal: Es handelt sich um ein Prüfverfahren. Bis zum erwarteten positiven Abschluß bleiben die bisherigen Regelungen gültig. Sollte später tatsächlich eine negative Entscheidung das Kommissionsverfahren beenden, werden der Börsenverein und der österreichische Hauptverband vorläufigen Rechtsschutz beim Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften beantragen. Wir gehen davon aus, daß wir eine Altbestimmung haben. Eine grenzüberschreitende Preisbindungsvereinbarung für deutschsprachige Verlagserzeugnisse besteht zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz seit 1993, also vor dem Beitritt Österreichs zur EU.

? Und mit der Schweiz gibt es diesbezüglich auch keine Probleme...

... weil die Schweiz nicht zur EU gehört. Österreich wird kurioserweise durch den' Beitritt zur EU sozusagen ins 19 Jahrhundert zurückgeworfen, indem es jetzt ein Gesetzgebungsverfahren für eine nationale Buchpreisbindung einleiten müßte.

? Was stört die EU-Kommission an der deutsch-österreichischen Vereinbarung? Man sieht darin eine Beeinträchtigung des freien Wettbewerbs. Die Kommission geht davon aus, daß der Buchmarkt dereguliert werden soll, um Vergleichbarkeit zu gewährleisten, auch im Interesse des Verbrauchers. Hintergrund ist die Beschwerde der Handelskette Librodisk, die in Österreich über 220 Filialen unterhält. Dieses Unternehmen erwirtschaftet mit Büchern freilich nur 24 Prozent seines Umsatzes, und nur die Hälfte davon kommt von preisgebundenen Titeln. Es geht bei Librodisk also nicht um ein viel-

fältiges literarisches Sortiment, sondern hauptsächlich um Bestseller Die würde man gerne billiger anbieten als der Buchhandel, der sich das nicht leisten kann, aber auf den Umsatz angewiesen ist. Die Folge wäre, daß Buchhandlungen verschwinden und damit auch deren literarisches Angebot.

? Womit Sie umrissen hätten, was Aufhebung der Buchpreisbindung in der Konsequenz bedeutet: Buch-Supermärkte auf der einen Seite und auf der anderen Seite die weniger populäre Literatur zu Liebhaberpreisen im Fachgeschäft. Wie das aussieht, ist doch in Großbritannien zu sehen. Da verstehe ich nicht, wieso der EU-Kommissar das anziehend findet.

Dabei ist Kommissar van Miert von der Generaldirektion IV für Wettbewerbsfragen sogar belgischer Sozialist. Aber er glaubt eben an die Deregulierung

und weigert sich, Bücher anders zu behandeln als sonstige Waren. Wenn Regierungen Literatur für förderungswürdig halten, mögen sie sie subventionieren, meint er.

? Gar keine schlechte Idee eigentlich. Hat Österreich damit nicht bisher gute Erfahrungen gemacht?

Da in Österreich 60 bis 80 Prozent aller Bücher aus Deutschland kommen, werden Privatverlage vom Staat gefördert, das stimmt. Es handelt sich dabei jedoch um Wirtschaftshilfe und nicht um die Subventionierung einzelner Titel. Ich wünsche mir nicht, daß die Regierung mitredet, was in den verschiedenen Verlagen gedruckt wird und man in Amtsstuben darüber streitet, ob Frau Jelinek gute Literatur schreibt oder nicht.

? Soweit ich verstanden habe, ist das hierzulande auch nicht zu befürchten. Auf die Preisbindung im Lande hat doch die EU keinen Einfluß, oder?

Nein, zur Debatte stehen die grenzüberschreitenden Geschäfte. Nur 5 Prozent der Bücher auf dem deutschen Markt stammen aus Österreich. Und das sind keine Bestseller, die sich für Preisdum-

ping eignen. Wer hierzulande Bücher verkaufen will, unterschreibt ein Preisbindungsrevers, das bei Androhung von Liefersperren und Bußgeldern einzuhalten ist. Und das wird auch so bleiben - darin sind wir uns nicht nur mit der Bundesregierung einig, sondern auch mit ausnahmslos allen Parteien im Deutschen Bundestag.

? Könnten dann abernicht deutsche Bücher aus Österreich re-importiert werden?

Kaum, das Handling wäre zu teuer Aus Polen, Belgien oder Frankreich gab es doch bisher auch keine Re-Importe. Nein, für die Buchpreisbindung in Deutschland sehe ich keine Probleme, zumal sich die Verlage und der Buchhandel darüber einig sind. Was das Abkommen mit Österreich angeht, so bestehen wir nach wie vor darauf: Bücher sind als Mittel zur Information, Bildung und Unterhaltung ganz besondere Waren. Wir sehen uns in der Verantwortung, die Existenz von Autoren und Buchhändlern zu schützen und behalten uns in dieser Hinsicht auch juristische Schritte vor

Fragen: Irmtraud Gutschke

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