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Fall Karbastschi - em Stellvertretergefecht

  • Lesedauer: 2 Min.

Seit vorigem November läuft gegen den populären Politiker ein Verfahren wegen Betrugs und Mißmanagements. Er soll öffentliche Gelder verschwendet und in diesem Zusammenhang den ihm unterstellten Bezirksbürgermeistern gesetzwidrige Anweisungen erteilt haben. Einige Kommunalpolitiker wurden deshalb bereits zu Haftstrafen verurteilt. Karbastschi selbst blieb gegen eine Kaution von umgerechnet 2,7 Millionen Mark bisher auf freiem Fuß.

Die Regierung reagierte prompt. In ihrer ersten Sitzung nach der zweiwöchigen Pause zum iranischen Neuen Jahr es beginnt zu Frühlingsanfang - befaßte sie sich am Sonntag fünf Stunden lang nur mit dem Fall Karbastschis. »Die gesamte Regierung äußerte Bedauern und Sorge über die Festnahme des außergewöhnlichen und erfolgreichen Bürgermeisters«, erklärte Kultusminister Ajatollah Mohadsherani anschließend, mit der »das Recht der Exekutive geschwächt« werde.

Der Fall Karsbastschi ist ein Stellvertretergefecht. Der 45jährige Oberbürgermeister, seit acht Jahren im Amt, gilt als einer der Hauptarchitekten der vorsichtigen Reformpolitik von Präsident Seyyed Mohammed Khattami. Was der laut seinem Wahlprogramm, dem 1997 fast 21 Millionen Iraner ihre Stimme gaben, auf Landesebene durchsetzen will, erprobten Karbastschi und die von ihm mitbegründete Gruppe »Diener des Aufbaus« im Laboratorium der von vielen sozialen Problemen geplagten Sieben-Millionen-Metropole Teheran.

Er baute eine Ladenkette auf, in denen Lebensmittel zu auch ärmeren Schichten

erschwinglichen Preisen angeboten werden, organisierte zum Ärger der vergnügungsfeindlichen Mullahs - unter islamischen Slogans - Sportveranstaltungen und Konzerte, die Jungen und Mädchen gemeinsam besuchen konnten. Er kämpft gegen die Luftverschmutzung und legte in smoggepeinigten Stadtvierteln Grünflächen und Blumenrabatten an. Während die Bevölkerung ihn deswegen verehrt, brachte ihm das von linken Kritikern den Vorwurf ein, er verdecke damit nur die wirklichen Defekte der iranischen Gesellschaft.

Karbastschi, Khattami und ihre Verbündeten wollen die islamische Revolution nicht in Frage stellen, sondern eine Art »Islamische Republik mit menschlichem Antlitz« schaffen. Als pragmatische Technokraten wollen sie die Allmacht der Geistlichkeit beschränken, den Bürgern demokratische und rechtsstaatliche Freiräume, die die Verfassung der Islamischen Republik Iran theoretisch bietet, tatsächlich öffnen und ihren Lebensstandard erhöhen. Auch der begrenzte Pluralismus der ersten nachrevolutionären Jahre soll wiederhergestellt werden. Die »Diener des Aufbaus« sollen dann in eine regelrechte Partei umgewandelt werden. Mit Mohadsherani, Innenminister Abdollah Nuri und auch Karbastschi, der regelmäßig an Kabinettssitzungen teilnimmt, hat Khattami einige »Diener des Aufbaus« dazu an Schlüsselstellen plazieren können.

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