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  • Politik
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Hallo, Frau Präsidentin

Am Dienstag entließ sie »Charly« Körbel, Trainer des FSV Zwickau

  • Lesedauer: 5 Min.

Ingeborg Neumann

Foto: imago

Ingeborg Neumann (40), ledig, Geschäftsführerin und Gesellschafterin der Schröder und Partner Holding GmbH. Diese gehört zu den führenden Management-Holdings in Deutschland. Umsatz 1997: 310 Millionen Mark. Sitz Berlin-Friedrichstraße. Präsidentin des FSV Zwickau. Entließ am Dienstag Trainer Karl-Heinz Körbel.

? Frau Präsidentin, was gab den Ausschlag, Körbel zu entlassen und Pilz zu holen?

Da brauchen Sie doch nur auf die Tabelle zu schauen. Der Abstieg wird kaum noch zu vermeiden sein. Deshalb wollen wir die Zeit nutzen und neuen Spielern eine Chance geben. Vielleicht ist noch nicht alles aus. Wir haben im Präsidium und Verwaltungsrat einstimmig beschlossen, Herrn Körbel zu beurlauben. Es war sicher nicht einfach. Da aber Körbel Profi genug ist, akzeptierte er die Entscheidung. Herr Körbel hat viel Persönliches eingebracht. Trotzdem mußten wir handeln. Wenn in der Wirtschaft keine schwarzen Zahlen geschrieben werden, gibt es ja auch Konsequenzen.

? Waren Sie die Initiatorin?

Wir beredeten nach dem Spiel am Freitag gegen Düsseldorf (0:1, d.A.) die Lage und kamen im Präsidium zu der gemeinsamen Auffassung, uns von Herrn Körbel zu trennen.

? Glauben Sie, daß Hans-Uwe Pilz es noch packen kann?

Er hat nichts zu verlieren. Und kommt aus Zwickau. Für ihn ist das eine große Chance, sich zu profilieren. Jeder Punkt, den er macht, ist ein Erfolg.

? Der FSV möchte, so hieß es in einer dpa-Meldung, einen Neuanfang starten. Mit Ihnen als Präsidentin?

Ich wurde am 19. Februar für drei Jahre gewählt. Mein Ziel für den Fall des Abstiegs ist, im nächsten Jahr wieder aufzusteigen. Da feiern wir auch das 50jährige Vereinsbestehen.

? Haben Sie keine Angst, in der Männerdomäne Fußball zu regieren?

Nein.

? Das klingt überzeugend. Soll es auch.

? Wie ist es denn dazu gekommen, daß Sie die Präsidentin des FSV Zwickau wurden?

Der Vorstandsvorsitzende der Sachsenring AG, Herr Rittinghaus, hat mich gefragt, und ich habe zugesagt. Einer meiner Träume war schon immer, im Fußball einmal etwas zu bewegen. Hobby und Beruf koordinieren zu können, das

ist doch unheimlich spannend. Vor allem ist es eine Herausforderung.

? Wie sind denn Ihre persönlichen sportlichen Aktivitäten.

Jogging. Wenn es geht, zwei- bis dreimal in der Woche etwa acht Kilometer Am Wochenende immer. Kann ich nur empfehlen, weil Laufen aktive Erholung ist und dem Körper guttut.

? Also würden Sie sich auch zutrauen, Ihrem Torwart Hoffmeister einen Elfmeter reinzuschießen?

Ja.

? Kennen Sie schon alle Präsidenten der anderen Zweitligaklubs?

Nein. Das könnte aber noch werden.

? Ich denke doch, daß Sie in Zwickau mit Respekt und Achtung aufgenommen wurden?

Richtig. Neugierig waren sie schon gewesen. Für mich war diese Situation aber nicht ungewohnt. Das einzige, was für mich neu war, daß ich auf einmal in der Branche Fußball saß.

? War für Sie nicht auch ein kleiner Kitzel dabei, als Frau in eine bisher doch nur von Männern dominierte Sportart vorzustoßen?

Es gab wohl bei München 60 in den 70er Jahren einmal kurzzeitig eine Präsidentin. Die hatte auch den Aufstieg von der Regionalliga in die zweite Bundesliga geschafft. Zur Zeit bin ich im deutschen Profifußball die einzige Präsidentin. Es hat mich unheimlich gereizt, das Produkt

Fußball zu sanieren. Von Zwickau hatte ich vor der Wende schon einiges gehört. Die waren ja mal im Europapokal ganz weit gekommen.

? Haben Sie das 0:1 gegen Düsseldorf am letzten Freitag miterlebt?

Natürlich.

? Frau Präsidentin, was ist die momentane Hauptschwäche der Zwickauer Fußballer?

Da müssen Sie den Trainer fragen.

? Sie sehen doch aber auch zu?

Na gut, dann stelle ich einfach fest, daß sie keine Tore schießen und folglich nicht gewinnen.

? Schädlich, Werner, Körbel und jetzt Pilz. Mit den Trainern wurde viel versucht, liegt es vielleicht doch nur an der Mannschaft, daß sie jetzt so schlecht steht?

Eine Mannschaft ist ein Team. Das muß funktionieren. Charly Körbel hatte wenig Glück. Wichtig ist jetzt, daß Ruhe und Professionalität einziehen.

? Finanziell, so war zu hören, steht das Sachsenring-Werk auch für den Fall des Abstiegs hinter dem FSV. Ist dem so?

Ja, wir erhalten jeweils eine Million Mark in den kommenden drei Jahren.

? Fußball war schon zu DDR-Zeiten in Zwickau wie eine Religion. Glauben Sie, daß die Mannschaft, sollte sie absteigen, den so schweren Wiederaufstieg schafft?

Das ist mein Ziel. Ich werde alles dafür tun.

? Wissen Sie, was Sie da sagen?

Durchaus. Viele wollen aufsteigen. Unmögliche Sachen zu schaffen, das ist mein Ding. Wenn einer sagt, geht nicht, dann werde ich aktiv

? Unter welches Schriftstück haben Sie die letzte Unterschrift gesetzt?

Das war das Präsidiumsprotokoll. Es ging um den Umzug der Geschäftsstelle.

? Ich dachte, Sie würden sagen, den Vertrag von Pilz unterschrieben zu haben.

Mündlich sind wir einig. Der Vertrag wird heute oder morgen unterschrieben.

? Gehen Sie nach dem Spiel auch in die Kabine?

Bisher noch nicht. Ich hole mir die Spieler, wenn ich mit ihnen reden muß.

? Frau Präsidentin, noch ist Zwickau nicht verloren. Immerhin gibt es noch zehn Spiele. Dafür wünschen wir Ihnen und der Mannschaft sehr viel Erfolg.

Danke, den können wir gebrauchen. Gespräch: Eckhard Galley

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