Wasser statt Feuer im Krematorium
Abnahme verzögert sich, weil es durchs Dach regnet Von Jan Cesar Woicke
»Gravierende Mängel im gesamten Dachbereich« bescheinigt das Gutachten eines Sachverständigen dem Treptower Krematoriums-Neubau in Baumschulenweg. Anders formuliert: Es regnet rein. Au-ßerdem seien etwa 1000 weitere kleinere und größere Mängel an dem 60-Millionen-Projekt festgestellt worden, hieß es dazu im bezirklichen Presseamt. Fenster klemmen, Türen fehlen, Lichtschalter wurden vergessen. Das habe eine »umfangreiche Mängelfeststellung und Analyse durch das Hochbauamt mit dem Ersteller Bilfinger & Berger« ergeben. Bür-
germeister Siegfried Stock (SPD) fordert, das riesige Flachdach bis zum Rohbau abzutragen und in vertraglicher Qualität neu zu errichten. »Überflüssig«, sagt der private Bauträger VR Leasing und kündigt an, die »geringfügigen Mängel« bis zum 6. Juli zu beseitigen.
Es geht um Geld - um viel Geld. Vereinbart war, das Krematorium nach 27monatiger Bauzeit Silvester '97 an den Bezirk zu übergeben. Jetzt droht eine Vertragsstrafe von wenigstens 3,5 Millionen Mark. Abriß und Neubau des Daches könnten dem privaten Financier die Geschäfts-Suppe ordentlich versalzen. Kein Wunder, daß der Ton rauher wird. Es gehe Stock gar nicht um die baulichen
Mängel, hört man von Bilfinger & Berger. Der Bürgermeister störe sich an dem Leasing-Finanzierungsmodell und wolle sich mit übertriebener Pedanterie rächen.
»Absurd«, sagt das Presseamt. Stock sei schließlich noch gar nicht im Amt gewesen, als das Finanzierungskonzept 1994 von der Senatsfinanzverwaltung durchgedrückt wurde. »Allerdings«, so räumt man ein, »sind wir nicht glücklich darüber«. Ursprünglich hatte man einen Neubau des vor drei Jahren abgerissenen und zuvor schon stillgelegten, 1913 errichteten Krematoriums auf eigene Faust geplant. 86 beziehungsweise 74 Millionen Mark sollte der Bau nach Plänen des Kanzleramts-Architekten Axel Schultes kosten. »Zu teuer«, befanden die senatlichen Finanzverwalter und bestanden auf eine »Light«-Version des Schultes-Entwurfs sowie auf ein Ratenzahlungsmodell über 30 Jahre. Fünf Millionen Mark jährlich - insgesamt 150 Millionen Mark muß Treptow bis 2028 berappen. Stock. »Es sind unerfüllte Wunschträume, daß Private alles besser machen«. Realität ist, daß der vereinbarte Testbetrieb auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.
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