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Bewährungsstrafen für NVA-Militärs und ZK-Sicherheitschef

Grenzprozeß Richter: Angeklagte billigten Schußwaffeneinsatz und damit Tote an der Mauer

  • Lesedauer: 2 Min.

Wegen Beihilfe zum Totschlag sind der einstige Sicherheitschef des SED-Zentralkomitees, Wolfgang Herger, und drei NVA-Generale am Freitag zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.

Berlin (ND). Die 28. Große Strafkammer des Berliner Landgerichts sprach die Angeklagten als Mitglieder oder ständigen Gast des Kollegiums im DDR-Verteidigungsministeriums schuldig, Tote an der Grenze zur Bundesrepublik billigend in Kauf genommen zu haben. Horst Brünner, Vize-Verteidigungsminister sowie Chef der politischen Hauptverwaltung der NVA, erhielt zwei Jahre und Dr Wolfgang Herger, Leiter der Abteilung Sicherheit im ZK der SED, ein Jahr und zehn Monate. Beiden wurden Beihilfe in zwei Fällen angelastet.

Manfred Grätz, Chef Rückwärtige Dienste, erhielt ein Jahr und drei Monate

und Dr. Heinz Tappert, Finanzchef der NVA, ein Jahr. Alle Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Damit blieben die Richter - die auf minder schweren Fall erkannten - etwas unter dem Antrag der Anklage, die nach Ansicht des Gerichts »neutral, sachlich und umfassend« war.

Die Vorsitzende Richterin zollte auch den Angeklagten »Respekt«. Sie erklärte in der Urteilsbegründung, es handle sich um »aufrechte, gebildete, dem Weltfrieden verpflichtete Männer«. Man habe sie nicht zu Verbrechern stempeln wollen. Doch die Verurteilten stimmten im Kollegium, das beratenden Charakter hatte, Befehlen zur Fortschreibung der Grenzsicherung und damit dem Einsatz von Schußwaffen zu. Das sei ein klarer Verstoß gegen die DDR-Verfassung und einschlägige DDR-Gesetze gewesen.

Die Strafkammer zweifelte nicht daran, daß die Angeklagten Tote an der Mauer billigend in Kauf nahmen. Sie hätten

in Funktionen und in einer Entscheidungskette gestanden, die letztlich bis zum Feuerbefehl jedes Postenführers reichte. Ihr Bedauern, daß an der Grenze Menschen umkamen, wertete die Kammer »nicht als ein Lippenbekenntnis«.

Der letzte DDR-Staatsratsvorsitzende und SED-Generalsekretär, Egon Krenz, erklärte gegenüber ND- »Das Gericht irrt, wenn es davon ausgeht, daß sich die Angeklagten nach DDR-Recht schuldig gemacht hätten. Insofern handelt es sich um ein Unrechtsurteil.« Gleichzeitig habe er mit Aufmerksamkeit vermerkt, daß die Vorsitzende Richterin der Meinung ist, daß politische Lösungen besser gewesen wären als strafrechtliche Verfolgung. Das sollte ein Fingerzeig an die Politiker sein, einen Schlußstrich unter die juristische Verfolgung von DDR-Bürgern zu setzen.

Anfang August soll vor dem Berliner Landgericht ein weiterer Prozeß gegen Grenzkommandeure beginnen. Seite 5

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