Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Gleichgültigkeit der Eltern

  • Lesedauer: 2 Min.

Befragt wurden 70 gewalttätige junge Leute, die Verbrechen bis hin zu Totschlag begangen hatten, 20 Polizisten und Kampfsportler, die legal Gewalt ausüben, und zehn gewaltlose Jugendliche. In der Gruppe der gewalttätigen Jugendlichen waren »Einzelgänger« vertreten, Mitglieder von Jugendgangs, Hooligans, Neonazis und gewalttätige Punks. Böttger stellte fest: Nur sehr wenige der Jugendlichen berichteten über eine partner-

schaftliche, liebevolle Erziehung. Rund zwei Drittel der Betroffenen hätten eine Kindheit hinter sich, in denen die Eltern autoritäre und gewalttätige Verhaltensweisen an den Tag gelegt hatten. Erzählt wurde nicht nur von völliger Gleichgültigkeit und Distanz der Eltern.

Das Beispiel des kleinen Mädchens zeigt, daß es unter den Jugendlichen, die keine Gewalt ausübten, ebenfalls Personen gab, die in der Kindheit mißhandelt worden waren. Die Studie gab Aufschluß darüber, welche Umstände - zusätzlich zur Tatsache einer autoritär-gewalttätigen Erziehung - eine Ausprägung späterer Gewalttätigkeit fördern können. Böttger faßte seine Ergebnisse in fünf Kernaussagen zusammen. Kernaussage eins illustrierte er durch die Geschichte eines später gewalttätigen Jugendlichen, dessen Vater leere Dosen an der Wand aufstellte, die der Junge 14 Tage lang jeden Abend mit Faustschlägen »eindellen« sollte. Der Junge hatte dem Vater erzählt, daß ihn ein Freund verhauen wolle. Ergebnis: Kommt zu einer restriktiven, autoritären Erziehung mit Gewalt gegen das Kind noch die Akzeptanz oder gar Erwartung von Gewalt seitens der Eltern hinzu, so besteht eine große Wahrscheinlichkeit, daß die Betroffenen lernen, Gewalt als ein Mittel zur Durchsetzung von Interessen und Lösung von Konflikten einzusetzen.

In einer geringeren Zahl der Fälle wurde festgestellt, daß Jugendliche, in deren Erziehung Gewalt »lediglich« als Sanktionierung von »Fehlhandlungen« eingesetzt wurde und die diese Gewalt als gerecht empfanden, ebenfalls dazu neigen können, selber Gewalt einzusetzen. Besonders starke Aggressionen jedoch, so Kernaussage drei, bildeten sich, wenn die Eltern sich mit ihren Gewalthandlungen den Kindern gegenüber als unberechenbar erwiesen. Wenn die Kinder keine anderen Methoden zum Abbau der Aggressionen fänden, so könne hier eine erhöhte Bereitschaft zur eigenen Gewaltausübung die Folge sein. In solchen Fällen wurde zumeist der Vater als unberechenbarer

Aggressor genannt. Zu hohe Leistungsanforderungen der Eltern können ebenfalls zur Gewalt führen, wenn die Jugendlichen für ihr »Versagen« bestraft werden. Hier zeige sich das Bestreben, sich »unter Gleichaltrigen durch Gewalthandlungen Anerkennung zu verschaffen«.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.