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ebb Ostwärts am Shredder vorbei

Die Verordnung zur Rostläuben-Entsorgung bewirkt bislang vor allem eines: Streit Von Hendrik Lasch

  • Lesedauer: 3 Min.

Nach sechs Monaten Altautoverordnung hat sich an der Zahl fachgerecht zerlegter Vehikel nichts geändert. Viele Entsorger sind enttäuscht und setzen nun auf eine europäische Regelung.

Gut 3,2 Millionen Autos wurden im vergangenen Jahr endgültig aus dem Verkehr auf bundesdeutschen Straßen gezogen. Doch während die Zahl der finalen Stillegungen seit Jahren steigt, hat sich die der umweltgerecht zerlegten Wagen bei 1,3 bis 1,5 Millionen eingepegelt und bleibt auch ein halbes Jahr nach Einführung der Altautoverordnung am 1. April konstant. Grund: Jedes zweite alte Auto rollt jenseits der deutschen Grenzen weiter

Der boomende Autoexport ist dem Wohlstandsgefälle zu Osteuropa geschuldet und nicht zu vermeiden, konstatiert die Arbeitsgemeinschaft (Arge) Altauto, in der neben Autoverwertern auch Kfz-Hersteller und Verbände der Zulieferer vereint sind, und feiert ansonsten die Verordnung und eine daran gekoppelte freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie zur Altauto-Rücknahme als vollen Erfolg. Mit 6390 Annahmestellen und 798 zertifizierten Verwertern gebe es bereits ein flächendeckendes Abnahmenetz - gute Voraussetzungen, um die Schrott-

autos immer gründlicher zerlegen zu können. Der Anteil nicht wiederverwertbarer Bestandteile wie Kunststoffe, Ölreste und Schwermetalle soll innerhalb von vier Jahren von jetzt 25 auf 15 Prozent sinken, 2015 soll er bei nur noch fünf Prozent liegen. Arge-Sprecher Martin Schenk ist optimistisch - dank der »gelungenen Kombination ordnungsrechtlicher und kooperativer Maßnahmen«.

Mittelständische Autoentsorger widersprechen vehement. Viele Firmen, die bis zu fünf Millionen Mark investieren mußten, um auf ihren Betriebshöfen die technischen Voraussetzungen für eine ökologische Entsorgung zu schaffen, sehen wegen des wider Erwarten stagnierenden Verwertungsaufkommens ihre Hoffnungen enttäuscht - und vielfach sogar ihre Existenz bedroht. Und die Mißstände seien vorhersehbar gewesen, wettert Stefan Klatt vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse).

Denn während in Skandinavien und den Niederlanden die Trennung vom fahrbaren Untersatz außer ein wenig Überwindung nichts kostet, sind Hersteller in Deutschland nur dann zur kostenfreien Rücknahme verpflichtet, wenn das Auto nicht älter als zwölf Jahre ist und keine »herstellerfremden Bauteile« enthält. Bis zu 40 Millionen Fahrzeuge, die vor Inkrafttreten der Verordnung zugelassen wurden, werden völlig ausgegrenzt. Ziel komplett verfehlt, schimpften Umweltverbände. Klatt sieht außerdem

eine »unselige Verbindung« zwischen Verordnung und Freiwilligkeit, die den Verwertern den Großteil der Kosten aufbürdet - und die vom Gesetzgeber angeblich beabsichtigte stärkere Produzentenhaftung der Autohersteller verpuffen läßt. Denn solange die angejahrten Wagen noch rollen, ist der Gang zum Gebrauchtwagenhändler allemal lukrativer Und Besitzer älterer Autos, die für die Entsorgung draufzahlen müßten, lassen ihre Vehikel lieber am Straßenrand verrosten, wo im Zweifelsfall die Kommunen für die Entsorgung zahlen müssen, oder verkaufen sie für Pfennigbeträge als »Pseudogebrauchtwagen« an Zwischenhändler, die diese dann gen Osten rollen - immer am Entsorger vorbei.

Im Bundesumweltministerium weist man die Kritik zurück. Die Regelung könne als Instrument nicht einer bestimmten Branche dienen. Außerdem, sagt Regierungsdirektor Axel Kopp, würden zwar Altautos in den Niederlanden kostenlos abgenommen - ein »nennenswerter Teil« rolle trotzdem ins Ausland statt in den Shredder. Bestimmungen, um alle ausgedienten Fahrzeuge der Verwertung zuzuführen, seien »politisch nicht gewollt«.

Die Hoffnungen der Kritiker ruhen jetzt auf einer europäischen Regelung. Die derzeit in Brüssel erarbeitete, möglicherweise im November im EU-Parlament behandelte Direktive werde im Gegensatz zur deutschen Regelung »wirksame Finanzierungsregelungen« enthalten, sagt Hellmut Königshaus vom Bundesverband der deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE). Die Chancen stehen nicht schlecht: Axel Kopp, der für die Bundesregierung an der Ausarbeitung der EU-Regelung beteiligt ist, bezeichnet diese zwar in technischer Hinsicht als »nah an den deutschen Zielsetzungen«. Beim Geld aber, muß er gestehen, gebe es eine »Präferenz für das holländische Modell«: Zahlen muß für die Entsorgung in jedem Fall der Hersteller

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