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  • Politik
  • Apostel! von Robert Duvall

Recht Müdes über einen Erwecker

  • Hans-Günther Dicks
  • Lesedauer: 3 Min.

Was lange währt, wird endlich gut. Sagt man jedenfalls. Und auch, daß der Glaube in der Lage sei, Berge zu versetzen. Robert Duvall, als hochkarätiger Schauspieler und Oscar-Preisträger spätestens seit »Apocalypse Now« weltweit bekannt, hat sich mit seinem Spielfilm-Regiedebüt viel Zeit gelassen. Unfreiwillig. Denn mehr als ein Jahrzehnt lang hatte er sich vergeblich bemüht, für seine Idee einen Produzenten zu gewinnen. Doch er ließ nicht locker, weil er an sein Projekt mit der gleichen Unerschütterlichkeit glaubte wie sein Ti-

telheld Euliss Dewey, den alle Sonny nennen und der sich selbst umgetauft hat zum »Apostel«, an das seine. Am Ende kam der Film nur zustande, weil Duvall nicht nur als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller fungierte, sondern mit fünf Millionen Dollar auch noch als ausführender Produzent einsprang.

Der Name von Sonnys »Projekt« steht in fetten Lettern auf dem klapprigen knallroten Bus, mit dem er durch Bayou Boutte, Louisiana, fährt: »One Way to Heaven« nennt er seine kleine Religionsgemeinschaft, und auf dieser »Einbahnstraße zum Himmel« folgt ihm bald jeder in der kleinen, überwiegend von Schwarzen bewohnten Gemeinde, die zuvor schon fast in Auflösung begriffen war

Mit flammenden Reden, die er über den örtlichen Radiosender schickt, gewinnt er rasch eine große Zuhörerschaft im ganzen Land. Dumm nur, daß dazu auch seine Frau Jessie gehört. Der nämlich hat er wie der Polizei seinen Unfalltod vorgetäuscht, um der Strafverfolgung zu entgehen, nachdem er Jessies Liebhaber in eifersüchtiger Raserei erschlagen hatte. So wird Sonny, während er mit seiner Gemeinde in ekstatischem Wechselgesang der himmlischen Glückseligkeit zustrebt, langsam aber sicher von den Hütern irdischer Gerechtigkeit eingekreist.

Sektenprediger, zumal solche, die mit Hilfe der Medien ihre Heilsversprechungen geschickt zur Pflege des eigenen Kontostandes einsetzen, kommen im Hollywoodkino meist schlecht weg. Nicht daß man dort grundsätzlich etwas gegen das Geschäft mit der Gläubigkeit, hätte! Schließlich beruht auch das eigene Geschäft, »business as usual«, auf dem Handel mit Illusionen und Scheinwelten. Duvall aber geht es nicht darum, diese unselige Verquickung von Gläubigen und Gläubigern aufzuzeigen oder gar zu kritisieren. Umgekehrt vermeidet er aller-

dings auch jede Heroisierung seines Helden. Selber wohl ganz ohne missionarischen Drang, scheint ihn doch die unerschütterliche Gläubigkeit seines Sonny zu faszinieren. So sehr Duvall als Darsteller mit jeder Faser seiner markigen Gestalt dieser Sonny ist (und dabei eine seiner besten Rollen spielt), so sehr hält er als Regisseur und Autor jederzeit Distanz zu seinem Helden, den er wie mit dem Blick des Ethnologen zuzuschauen scheint: ein Exemplar einer bizarren, aber nicht eben raren Gattung in »God's own country«.

Duvalls Allgegenwart und Dominanz läßt für die Nebenfiguren kaum Platz. Sein Freund Billy Bob Thornton darf in einer kleinen Rolle als rassistischer, schließlich aber von Sonny bekehrter Polterer glänzen, Miranda Richardson als Sonnys neue Liebe Toosie bleibt gänzlich ohne Profil. Zudem steht Duvalls distanzierter Blick einer emotional packenden Erzählweise eher im Wege, weshalb die 133 Filmminuten mit noch einem und immer noch einem Erweckungsgesang sich doch arg in die Länge ziehen. Wer aber Schauspielkunst, vom Feinsten sehen will, wird von Duvall bestens bedient.

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