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  • Politik
  • Jutta Heinrich: »Unheimliche Reise«

Frankenstein lebt

  • Sybille Walter
  • Lesedauer: 2 Min.

Vergnüglich-heitere Lektüre erwartet den Leser nicht: Jutta Heinrich schickt ihre Ich-Erzählerin auf eine Reise ins Ungewisse. Die junge Frau, die vertrauten Lebenshintergrund für einige Zeit absichtsvoll hinter sich läßt, setzt sich in einen Zug. Sie wird ihn zu beliebiger Zeit am beliebigen, ihr selbst bis dahin unbekannten Ort verlassen, sich ganz auf Neues einlassen, hierfür alle Sinne zur Verfügung haben.

Sie wird sie brauchen. Die Autorin setzt ihre Heldin in einer kleinen Stadt irgendwo in unserer Nähe dem Grauen und schließlich Grauenvollem aus. Dabei steigert sie die Intensität des Erlebens, verdichtet die verzweifelte Situation konsequent. Zunächst empfindet die Erzählerin, und mit ihr der Leser, die neue Umgebung lediglich als merkwürdig - die Aggressivität und Abschottung der Mitbürger gegenüber der Fremden. Die Erzählerin entdeckt, was sie nicht sehen soll: Latente Gewalt ebenso wie reale, schließlich aggressive Tierschützer, die sie fast steinigen. Sie findet sich im Krankenhaus wieder, ist noch einmal gerettet.

Ist sie dies? Immer strenger wird sie isoliert, immer intensiver sucht sie die Lösung der bedrohlichen Rätsel. Ihre Entdeckung, der kunstvoll vorbereitete Höhepunkt des Romans, ist ungeheuerlich: Aldous Huxleys Visionen einer »Schönen neuen Welt« sind mit Hilfe der Gen-Forschung möglich geworden. Der Mensch, die Frau besonders, muß vor dem Schöpfungsakt zittern.

Jutta Heinrich zieht ihre Leser hinein in undurchsichtiges, ganz und gar beängstigendes Geschehen, das durch Menschen nicht mehr steuerbar scheint. Die Heldin hat nur eine Chance - genau beobachten, aufzeichnen und schließlich ausbrechen. Warum sie sich retten konnte, bleibt ungewiß, wird rational ebenso wenig erklärt wie die Vorgänge, die ihr zusetzen. Die »Unheimliche Reise« ist glücklicherweise eine »Reise im Kopf«, deren Bedrohungen real kaum verständlich oder nachprüfbar sind, unmöglich sind sie wohl nicht. Frankenstein lebt, der Mensch ist ein Monster, kein weiterer Kommentar. Wirklich nicht? Jutta Heinrich hat den Widerspruch gewagt.

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