Brücke ins Solar-Zeitalter

BP plant Kraftwerk mit 90 Prozent weniger Emissionen

  • Uwe Witt
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Mineralölkonzern BP mausert sich zum Vorreiter für emissionsarme Kraftwerke. In Schottland will das Unternehmen Strom aus Wasserstoff produzieren, der aus Erdgas gewonnen werden soll. So könnten 90 Prozent weniger Kohlendioxid emittiert werden als bei vergleichbaren Gaskraftwerken. Das »emissionsfreie Kraftwerk« gehört mittlerweile zum Standard der energiepolitischen Debatte. Allerdings ist es noch ein Zukunftstraum. Und ein umstrittener dazu. Mit »emissionsfrei« ist eine Stromerzeugung gemeint, die zwar auf fossilen Brennstoffen basiert, aber dank einer Kohlendioxid-Abscheidung kaum Treibhausgase in die Atmosphäre bläst. Das kann natürlich nur funktionieren, wenn das abgespaltene CO2 auch dauerhaft sicher gelagert wird. Entsprechend heißt der Fachterminus Carbon Capture and Storage (CCS, Einfangen und Speichern von Kohlendioxid). Die meisten dieser Konzepte setzen auf eine Verpressung des vorher verflüssigten Treibhausgases ins Erdinnere. Für die Lagerung kommen poröse Gesteine ehemaliger Gas- oder Erdöllagerstätten, Kohleflöze oder Gesteinsschichten, die in mehr als 1000 Meter Tiefe heißes salzreiches Tiefenwasser führen, in Frage. Der britische BP-Konzern hat nun angekündigt, ab dem Jahr 2009 eine Viertelmillion schottischer Haushalte mit sauberem Strom aus Wasserstoff versorgen zu wollen. In einem Gemeinschaftsprojekt mit ConocoPhillips, Shell und Scottish and Southern Energy sollen dann täglich zwei Millionen Kubikmeter Methan aus Nordsee-Erdgas in einem Reforming-Prozess in Wasserstoff und CO2 umgewandelt werden. Die Anlage wird in der Nähe eines Gas-turbinen-Kombikraftwerks nahe dem nordost-schottischen Peterhead stehen, das den erzeugten Wasserstoff als Brennstoff nutzen wird. Das anfallende CO2 soll über bestehende Pipelines zurück in das 240 Kilometer entfernte Ölfeld geleitet werden, aus dem auch das Gas stammt. Dort wird es nach den BP-Plänen über eine Plattform in die vier Kilometer Tiefe Erdöllagerstätte gepresst. Jährlich 1,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid sollen so auf ewig verschwinden. Die Investition ist mit 600 Millionen US-Dollar nicht billig, könnte sich für BP aber dennoch rechnen, weil mit ihr die Nutzung des seit 1992 angezapften Ölfeldes verlängert wird: Kohlendioxid macht das schwarze Gold flüssiger. In Verbindung mit dem erhöhten Druck steigt die Ausbeute der Lagerstätte. Das Ölfeld, das ursprünglich spätestens 2007 geschlossen werden sollte, könnte so 15 bis 20 Jahre länger genutzt werden. Dies ergibt 40 Millionen Barrel zusätzlicher Förderung. Kohlendioxid wird in Nordamerika schon seit Jahrzehnten in Ölfelder injiziert, um die Ausbeute zu erhöhen. Allerdings stammt es aus natürlichen Lagerstätten, wo es teuer gefördert wird. Bislang wurde das meiste an den Bohrlöchern aufgefangen und erneut verwendet. In Schottland soll das Gas aber dauerhaft gelagert werden, was hohe Anforderungen an Förderregime und Dichtheit der Bohrlöcher stellt. Dem muss sich BP auch bei einem ähnlichen Vorhaben in der algerischen Wüste stellen. Die Langzeitsicherheit der Speicher ist auch einer der Hauptkritikpunkte von Umweltschützern und Wissenschaftlern. So meint Dietmar Schüwer vom Wuppertal Institut, das Peterhead-Projekt scheine vom Ansatz her »recht innovativ und in sich schlüssig« zu sein. Derartige Technologien dürften aber nicht überschätzt werden. »In der Regel sind sie CO2-arm, nicht CO2-frei«, so Schüwer. Schließlich werde für den Reformer-Prozess genauso Energie benötigt und somit Kohlendioxid emittiert wie für den Transport und die Verdichtung des Gases. Mit Greenpeace und anderen Umweltschützern ist sich der Energieexperte einig: CCS löst das Treib-hausgasproblem nicht, sondern lindert es nur. Darum könne es lediglich eine Brückentechnologie ins solare Zeitalter sein.
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