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Die Vermarktung einer Jugendkultur

  • Lesedauer: 2 Min.

Früher liefen die Geschäfte rund um Technomusik wie geschmiert. Die Großveranstaltungen Love Parade in Berlin und Mayday in Dortmund machten die Künstler der Plattenfirma Low Spirit bekannt, und der angeschlossene Technomedia Verlag des Love Parade- und Mayday-Miteigentümers Jürgen Laarmann bejubelte Musik und Partys gleicherma-ßen in seinem Zentralorgan der Jugendszene »Frontpage«. Selbst der »Spiegel« zog ob der famosen Geldvermehrung ehrfürchtig den Hut und meldete »eine Erfolgssaga«. Doch mit dem Abebben der Technobegeisterung beim jugendlichen Publikum verdüsterte sich auch der materielle Horizont der Love Parade-Familie. Als erster blieb Laarmann mit seinem Verlag auf der Strecke, auch von seinen Anteilen an Mayday GmbH und Love Parade GmbH mußte er sich trennen - zeitweise lebte er in Spanien, von Freunden mit dem Nötigsten zum Leben versorgt.

Danach mußten die Macher der Low Spirit-Platten erkennen, daß ihre Stars Westbam und Marusha nicht mehr gefragt sind. Nur noch die Platten mit dem Label »Love Parade« versprechen Erfolg am Markt. Auch die Mayday-Veranstaltungen finden nicht mehr die Resonanz der Hochzeit des Techno-Booms. Lediglich die Love Parade wächst und gedeiht. Deshalb greifen die Herren Roenigh und Regitz dreister denn je zu, andere Quellen gibt es nicht mehr. Regitz (laut Selbstaussage ein »billiger Geschäftsführer« für nur 10 000 Mark im Monat) orakelte im Interview »Die Love Parade muß auf jeden Fall kostenlos bleiben. Die Leute sollen nicht für etwas bezahlen und dann konsumieren, sondern eine große Sache selbst gestalten. Da kann man doch kein Geld von ihnen verlangen.«

Wer sich den Glücksrittern entgegenstellt, wie etwa der Bezirk Tiergarten, indem er eine andere Firma als die Planetcom mit dem Ausschank der Getränke beauftragt, wird mit starken Verbalgeschützen attackiert: »Diese Niederlage für die Love Parade ist gleichbedeutend mit einer gleichzeitigen Absage an die autarke Selbstverwirklichung einer ganzen Generation« wurde der Presse mitgeteilt. Der angedrohte Umzug der Parade nach Paris wird dennoch unterbleiben, denn der Senat Berlins und die regierende CDU - mit schickem schwarzen Wagen Teil des bunten Festumzuges - stehen fest zu den Jugendkulturgeschäftemachern der Love Parade.

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