Berlin ohne Operette?
Volker Büttner
0Sie werben für Ihr Paul-Lincke-Programm am Theater Karlshorst e.V. mit dem Zertifikat für eine Mondreise. Wollen Sie Ihr Publikum auf den Mond schießen? Da wüsste ich andere Anwärter.
Ich auch. In diesem Falle aber verlost das Reisebüro Thomas Cook, ein Sponsor, bei jeder Vorstellung ein Zertifikat für die Teilnahme an einer Flugreise zum Mond, auf das der Gewinner zurückgreifen kann, wenn es mal so weit ist.
? Sind Sie sicher, dass es nicht nur ein Trick ist, Schwiegermütter unauffällig zu versenden?
Mondreisen passen nicht nur prima zu Lincke und Frau Luna, sie sind auch in absehbarer Zukunft reales Ziel für Abenteuerlustige. Wenn's um Lamadecken ginge, war ich vorsichtiger gewesen.
? Haben Sie noch mehr Sponsoren? Gott sei Dank ja. Die Kindl-Brauerei und
mehrere mittelständische Betriebe. Manche sind an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gegangen.
? Was ihnen Berlin hoffentlich mal danken wird, das seine ruhmreiche Operettentradition grad verspielt hat.
Noch spielen ja auch wir nicht die »Frau Luna«, sondern eine kabarettistisch-musikalische Hommage zum 100. Geburtstag ihrer Premiere, und zum 133. ihres Komponisten am 7. November. Die Operette folgt, wenn wir die Mittel bekommen, der Antrag dazu liegt noch bei Lotto und wird Ende September verhandelt. Vorerst aber
hatte am 12. September die Hommage Premiere. Sie heißt »Paul Lincke is nich totzukriejen« Berlins Operettenpublikum übrigens auch nicht.
? Woher kam die Idee?
Der Autor Wolfgang Helfritsch hatte mir mal ein Einpersonenstück auf den Tisch geknallt, daran erinnerte ich mich nun wieder: »High moon oder Frau Luna ist nicht totzukriegen«. Das hab ich dem Dieter Mann angeboten, der auch sehr interessiert war, aber leider grad den Wallenstein in Dresden spielt. So wurde das Stück für vier Personen umgearbeitet und ich bin hoch beglückt, dass ich eine Schar von Verrückten gefunden habe, die sich auf dieses Abenteuer einließ, übrigens eine reine Metropol-Besetzung bis hin zum Salonorchester. So haben wir geschafft, was wir wollten: zum einen das Operettengenre in Berlin pflegen, das brach liegt trotz aller Pläne und Versprechungen der Kulturverwaltung, weil es eben nur ganz wenige Geschäftsleute gibt, die bereit wären, aus purem Altruismus ein Theater am Leben zu halten. Und zum anderen eine Reihe toller Künstler vom Metropol der Bühne zurückgeben.
? Zum Beispiel?
Maria Malle, Ingrid Krauß, Kammersänger Fritz Hille, Paul Arenkens. Und dazu eine Menge Lincke-Melodien, Sie glauben ja gar nicht, was der Mann alles komponiert hat! Was sind die Brecht-Erben gegen die Erben von Lincke!
? Bloß dass die Lincke-Interpreten nun in Berlin nicht so gut dran sind wie die Interpreten von Brecht.
Die vier Metropolstars sind's erst mal wieder und lassen es das Publikum spüren, wobei Fritz Hille für mich eine komödiantische Neuentdeckung war- Lassen Sie mal 'nen Sänger 'nen Sänger mimen, es ist schlicht unmöglich. Außer bei Hille. Wenn der nicht grad singt wie ein kleiner Gott, macht er verteufelt gutes Kabarett.
? Das Premierenpublikum habe gejubelt, las ich in einer Mitteilungen Ihres Theaters, und die Presse gekniffen. Wären Sie eventuell bereit, das zurückzunehmen?
Nun gerne. Übrigens - weitere Aufführungen: Sonntags, 16 Uhr.
Fragen: Peter Berger
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.