Ende der Erfolgslüge

Wie geht es weiter nach der Insolvenz der Nachrichtenagentur dapd?

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.
Für die Beschäftigten kam die Meldung überraschend: Die Nachrichtenagentur dapd musste vergangene Woche Insolvenz anmelden.

Es sollte die ganz große Erfolgsgeschichte am Medienmarkt werden. Doch nun ging den Investoren der Nachrichtenagentur dapd anscheinend das Geld und wohl vor allem die Lust aus am »Dienst am Gemeinwesen«, wie Finanzinvestor Peter Löw sein eigenes und das Engagement seines Partners Martin Vorderwülbecke gerne nannte. Vergangene Woche meldeten sie Insolvenz in Eigenverwaltung an. Betroffen sind acht Berliner Gesellschaften der verzweigten Unternehmensgruppe. Absehbar war diese Entwicklung für die Belegschaft nicht. Noch bis vor Kurzem hatte die dapd Journalisten eingestellt - bevorzugt abgeworben bei der Konkurrenz.

Insgesamt sind rund 300 der 515 festen Arbeitsplätze in Gefahr. Bis Ende November erhalten die Beschäftigten Insolvenzgeld von der Bundesagentur für Arbeit. Freie MitarbeiterInnen dagegen werden wie Gläubiger behandelt und müssen ihre Honorare einklagen. Allerdings sicherte das Unternehmen ihnen zu, alle in der Insolvenz erteilten Aufträge würden vergütet. Unklar bleibt, was mit noch ausstehenden Honoraren ist. Unsicher ist auch die Situation der Volontäre, die jetzt um ihre Übernahme fürchten. Die Deutsche Journalisten-Union (dju) innerhalb der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di rät ihren Mitgliedern zur Rechtsberatung. Dju-Geschäftsführerin Cornelia Haß kündigte an, man werde die Beschäftigten unterstützen.

Rückblick: 2004 erstand Vorderwülbecke mit der Beteiligungsgesellschaft Arques Industries den insolventen Deutsche Depeschendienst (ddp) zu einem Spottpreis. 2009 übernahmen er und Löw den ddp als Privatinvestoren und kauften noch den deutschen Ableger der US-Agentur AP dazu. 2010 entstand daraus die dapd. Weitere Unternehmenszukäufe folgten - ein deutlicher Angriff auf die großen Agenturen dpa und die französische AFP. Sie wollten die Platzhirsche verdrängen, selber ganz oben stehen.

Warum die beiden Investoren, die bis dahin ihr Vermögen mit dem Aufkauf, der Zerschlagung und dem gewinnbringenden Weiterverkauf maroder Unternehmen gemacht hatten, sich auf dem Medienmarkt etablieren wollten, war Beobachtern stets ein Rätsel. Denn mit einer Nachrichtenagentur lässt sich kein schnelles Geld verdienen. »Wir stehen der dapd langfristig zur Seite«, versprach dennoch Vorderwülbecke. Geld verdienen würden sie eben anderswo, bestätigte sein Partner Löw noch Anfang des Jahres in einem Interview mit der Zeitschrift »Euro«. Darüber hinaus beschrieben sie auch die finanzielle Lage der dapd gerne positiv. »Die Gesellschaft ist seit 2008 profitabel und vollständig schuldenfrei«, erklärte man noch Anfang Januar.

Schöne Worte, die sich jetzt als Luftnummern herausstellten. Eine Million Euro mussten Löw und Vorderwülbecke nach eigenen Angaben monatlich zuschießen - offenbar doch zu viel für die selbsternannten Mäzene der Pressefreiheit. Aufgeben mussten sie nach ihrer Ansicht aber nicht wegen eigener Fehleinschätzungen: Verantwortlich seien vielmehr die Konkurrenz und die Kunden. Die AFP werde subventioniert, die ARD zahle dem Konkurrenten dpa 900 000 Euro mehr. Und auch das ZDF sei Schuld, so die Investoren. Der Sender wolle der Agentur nur 500 000 Euro zahlen, die Konkurrenz dpa erhalte fünf Millionen Euro. Die Gescholtenen zeigen sich irritiert. Die Behauptungen seien schlicht falsch, kommentierte etwa ZDF-Sprecher Alexander Stock. »Ganz offenbar versuchen die Investoren, die Schuld für das Scheitern ihrer Unternehmensstrategie auf andere zu schieben«, so Stock.

Der neue Geschäftsführer Wolf von der Fecht will nun die Perspektiven der dapd prüfen. Alles sei offen - für die Belegschaft eher eine schlechte Nachricht.

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