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Streit um brisante Luftfracht

Beschlagnahmtes Material für Syrien belastet Beziehungen Türkei-Russland

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Das politische und mediale Gezerre um die Fracht des von der Türkei abgefangenen syrischen Passagierflugzeugs zieht sich hin. Es belastet zunehmend auch das Verhältnis Ankaras zu Moskau.

Vergeblich bemüht Moskau sich nun bereits seit Tagen um Informationen über die Fracht an Bord der syrischen Verkehrsmaschine, die türkische Sicherheitskräfte am Mittwochabend beschlagnahmten.

Der Airbus A-320 von Staatscarrier Syrian Airlines war, von Moskau kommend, nach Damaskus unterwegs, wurde über dem türkischen Luftraum jedoch von Abfangjägern des NATO-Staates zur Landung auf dem Flughafen Esenboga in Ankara gezwungen. An Bord der Maschine waren insgesamt 35 Passagier, darunter 17 Bürger Russlands. Und im Frachtraum befand sich eine geheimnisvolle Ladung, die türkische Sicherheitskräfte inzwischen beschlagnahmten.

Die Wirtschaftszeitung »Kommersant« spricht unter Berufung auf zuverlässige Quellen von insgesamt »zwölf Kisten mit technischen Elementen«. Darunter Ersatzteile für Raketen, Antennen für Radar und Gerät für die Luftabwehr. Der Inlandsgeheimdienst FSB prüfe derzeit, wie das Staatsgeheimnis publik wurde, schreibt das Blatt weiter.

Der Zwischenfall hat nicht nur die ohnehin beträchtlichen Spannungen zwischen Syrien und der Türkei dramatisch eskalieren lassen, sondern auch das ebenfalls nicht ungetrübte russisch-türkische Verhältnis weiter belastet. So wurde der für Oktober geplante Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Istanbul auf Dezember verschoben.

Zwar erklärte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, zwischen der Visite und den Vorgängen um das syrische Flugzeug bestehe kein Zusammenhang. Russische Experten überzeugte dies jedoch nicht. Denn zuvor hatte Erdogan der russischen Seite vorgeworfen, »der Transport militärischer Güter sei ein krasser Verstoß gegen die Regeln der zivilen Luftfahrt«. Moskaus Diplomaten dagegen kritisieren, dass Ankara bisher weder die Gründe der Beschlagnahme noch Details zu der konfiszierten Fracht mitteilte und auch den Namen der »Organisation« - sprich: des russischen Absenders - unter Verschluss hält. Zudem wirft das russische Außenamt der Türkei Verstöße gegen das bilaterale Konsularabkommen vor: Ankara habe Moskaus Diplomaten während des zehnstündigen Stopps ein Treffen mit den russischen Passagieren verweigert. Das türkische Außenministerium indes behauptet, die russische Botschaft habe erst kurz vor dem Weiterflug der Maschine darüber informiert, dass eigene Bürger an Bord sind. Alle Passagiere seien mit Essen versorgt worden, auch ein Arzt sei einsatzbereit gewesen.

Syrien verlangt unterdessen die Herausgabe der beschlagnahmten Fracht, die Piloten, so die Moskauer Nachrichtenagentur RIA Nowosti, hätten zudem über massive Gewalt durch die türkischen Sicherheitskräfte geklagt.

Auch Außenminister Guido Westerwelle hat sich in die Groteske eingeschaltet. Als klares Zeichen politischer Positionierung wird seine Absicht gewertet, auf der Rückreise von China an diesem Sonnabend Zwischenstation in Istanbul machen. Geplant ist ein Treffen mit dem türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu. Der Besuch am Bosporus, so Westerwelle, habe eine »doppelte Botschaft« - »einmal die Solidarität und Partnerschaft mit unserem NATO-Partner Türkei, andererseits aber auch Besonnenheit und Deeskalation«.

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