Karibische Klänge verstummen

Soziokulturelles Projekt in Friedrichshain soll trotz fehlender Investoren weichen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Verwaist wirkt das Areal des »Yaam Club« an der »East Side Gallery« unweit des Ostbahnhofs. Das Volleyballfeld und die Skaterbahn sind menschenleer, eine jamaikanische Flagge weht trostlos im Wind. Die farbenfrohen Graffiti an den Fassaden der unzähligen kleinen Bretterbuden wirken in dieser Einsamkeit, wo sonst Reggae-Klänge für entspannte Stimmung sorgen, einwenig deplatziert. Die Herbstferien sind vorbei, weshalb am Vormittag kaum Bewegung im Yaam herrscht.

Charles Graf ist gerade dabei, seine Bar aufzumachen. Andere gastronomische Kleinunternehmer haben bereits geöffnet. Auf den Speisekarten findet sich afrikanische und karibische Küche. Ein Ort voller Geschichten. Die Musiker von »Culcha Candela« sollen sich hier gefunden haben, Sprintstar Usain Bolt trat einmal als Discjockey auf.

Graf, 38 Jahre, gekleidet mit einem roten »Che«-Shirt, wirkt nach außen hin fröhlich, dabei sorgt er sich um die Zukunft des multikulturellen Projekts. Wenige Tage ist es her, da erhielt der Verein vom Grundstückseigentümer die Kündigung. Innerhalb von 60 Tagen, so die spanische Immobilienfirma Urnova, soll Yaam das 8900 Quadratmeter große Gelände besenrein übergeben. »Es gab vorher bereits Gerüchte über eine mögliche Kündigung, aber sie kam für uns dennoch überraschend«, berichtet Graf.

Eine Onlinepetition zum Verbleib des Vereins auf dem Gelände am Ostbahnhof zählt inzwischen mehr als 10 000 Unterschriften. Warum es zur Kündigung kam, kann sich Yaam-Gründer und -Betreiber Ortwin Rau nicht erklären. Ursprünglich hatte Yaam mit dem Eigentümer vereinbart, das Gelände so lange nutzen zu können, bis sich ein Investor findet.

Laut Bebauungsplan könnten auf dem Platz drei Gebäude für Büro- und Hotelnutzung entstehen. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Gerüchte, wonach sich der Baudienstleister Hochtief für das Areal interessiere, erwiesen sich als falsch. »Wahrscheinlich möchte man uns loswerden, damit sich das Areal leichter verkaufen lässt«, vermutet Rau. Rund 26 Millionen Euro verlangt Urnova als Kaufpreis. Neu ist diese Situation für Rau und seine Mitstreiter nicht. Bis 1998 fand Yaam eine Bleibe auf einem Gelände an der Cuvrystrasse, musste dann allerdings einem nie realisierten Einkaufszentrum weichen. Rau befürchtet, die Geschichte könnte sich nun wiederholen.

Charles Graf steht in einem kleinen bunten Holzverschlag. Neben dem in die Jahre gekommenen Sofa liegt seine Trainingsausrüstung. Einmal in der Woche boxt er gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen, die ins Yaam kommen. »Das alles hier haben Kinder mit aufgebaut«, erinnert er sich. »Wir beschäftigen Kinder und Jugendliche hier nicht nur in ihrer Freizeit, sondern vermitteln ihnen Werte wie Toleranz«, sagt Graf. Staatliche Fördergelder erhält Yaam nicht. Ebenso sieht es bisher mit der politischen Unterstützung aus. Barkeeper und Boxlehrer Graf wird deshalb wütend. Bisher schmücken sich Bezirk und Stadt allein mit den Erfolgen des Projektes, ließen den Verein »bis auf ein Lippenbekenntnis« allerdings allein.

Gebracht hat der Widerstand bisher wenig, weshalb sich der Verein ernsthaft über einen alternativen Standort Gedanken macht. Im Gespräch sei unter anderem das Tempelhofer Feld, berichtet Rau. Konkretes kann er dazu noch nicht sagen. Allerdings macht ein Ausweichdomizil nur Sinn, wenn es zu einer längerfristigen Lösung beiträgt.

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