Künstler wollen bleiben

Gegen die geplante Schließung des Atelierhauses Prenzlauer Promenade regt sich Widerstand

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.
Berlin gilt weltweit als angesagte Kunst- und Kulturmetropole. Diesen Ruf verdankt die Hauptstadt nicht zuletzt ihrer experimentellen, avantgardistischen und subkulturell geprägten Künstlerszene.

Genau dieser freien Kreativszene soll mit dem Atelierhaus Prenzlauer Promenade im Süden Pankows nun aber einer ihrer großen und bedeutenden Freiräume genommen werden. Nach den Plänen des Liegenschaftsfonds, der die Immobilie seit 2005 in seinem Besitz führt, soll eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft den sanierungsbedürftigen Plattenbau aus den 1980er Jahren übernehmen und dort neue Sozialwohnungen einrichten. Für die über 70 Maler, Designer, Fotokünstler und Bildhauer, die die Räumlichkeiten momentan für eine monatliche Warmmiete zwischen 2,50 und 6,90 Euro pro Quadratmeter als Ateliers nutzen, soll es in dem ehemaligen Bürogebäude der Akademie der Wissenschaften der DDR keine Zukunft mehr geben. Der Liegenschaftsfonds habe sich gegen eine Weiternutzung der Immobilie als Atelierhaus entschieden, da er nicht mehr für die rund 3200 Euro Betriebskosten aufkommen könne, geschweige denn eine Sanierung in Höhe von etwa sechs Millionen Euro bezahlen wolle, heißt es zur Begründung.

Die jetzige »Zwischennutzung« durch die Kreativen sei verlustbringend, unwirtschaftlich und nicht zukunftsfähig. Das sehen die Nutzer des Atelierhauses gänzlich anders. Ginge es nach den ihnen, würden sie das geräumige Gebäude samt Garten zu einem Kunst- und Kulturzentrum weiterentwickeln. Die Künstler könnten sich auch Modelle mit gemischter Nutzung als Wohn- und Atelierhaus vorstellen. Nur ersatzlos ihre Kunststätten räumen, das wollen sie nicht. »Das Haus bietet uns hervorragende Arbeitsmöglichkeiten. Wir sind sehr zufrieden und würden hier gerne weiter arbeiten. Man muss uns nur lassen«, erklärt Grazyna Zarebska, eine der Malerinnen des Hauses. Es sei empörend, wie Berlin mit seinen Künstlern umginge. Tatsächlich sinken jährlich die Zahlen der Kunstwerkstätten und Ateliers. Der Berufsverband Bildender Künstler (BBK) sieht als Ursache dieser Entwicklung vor allem die rasant steigenden Mieten für Gewerberäume im Innenstadtbereich. »Seit etwa drei bis vier Jahren ist es für die große Mehrheit der Künstler unmöglich, in der Innenstadt noch bezahlbaren Arbeitsraum zu finden«, sagt BBK-Vorsitzender Herbert Mondry. Setze sich dieser Prozess der Verdrängung ungehemmt fort, werde die Stadt in absehbarer Zeit einen massiven Wegzug an freien Künstlern erleben, prognostiziert Mondry.

Dass der Liegenschaftsfonds das Gebäude an der Prenzlauer Promenade nach eigenen Angaben einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft übergeben will, und nicht an einen meistbietenden Privatinvestor verkaufen möchte, halten die Künstler für einen gekonnten Schachzug. Mieter, die die immer höheren Marktpreise für ihre Wohnungen nicht mehr bezahlen können und somit zwingend auf sozial verträgliche Mieten angewiesen sind, sollen gegen prekär lebende Künstler ausgespielt werden. »Der eigentliche Skandal ist doch, dass in Sachen sozialer Wohnungspolitik in Berlin jahrelang überhaupt nichts getan wurde. Auch die neuen Vorhaben des Senats sehen keinen sozialen Wohnungsneubau im Innenstadtbereich vor«, erklärt die Rektorin der Kunsthochschule Weißensee, Leonie Baumann, die die Kreativen in ihrem Anliegen um Erhalt des Atelierhauses unterstützt. Am heutigen Montag werden die Künstler ihre Position in der öffentlichen Sitzung des Kulturausschusses im Abgeordnetenhaus darlegen.

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