»Grünau hilft«

Asylbewerber in der Nachbarschaft / Fremdenfeindlichkeit soll gar nicht erst aufkommen

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Gut 200 Bürger waren am Freitagabend in die evangelische Kirche nach Grünau im Süden des Bezirkes Treptow-Köpenick gekommen. Die Kirchgemeinde hatte gemeinsam mit dem örtlichen Bürgerverein und der SPD zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Anlass: Seit zwei Wochen wohnen 109 Asylbewerber in dem Ortsteil in einem ehemaligen Polizeigebäude.

»Wir waren von der Situation alle überrascht und wollten die Bürger informieren, damit sich Fremdenfeindlichkeit gar nicht erst breit macht«, sagt Minka Dott, ehemalige Linkspartei-Abgeordnete, die Vorsitzende des örtlichen Bürgervereins ist. »Grünau hilft« nannten sie die Veranstaltung.

Grünau ist ein idyllischer Ortsteil an der Dahme mit viel Wassersport und Badestränden, mit Einfamilien- und Gründerzeithäusern. Die neuen Nachbarn wurden von einem Teil der Grünauer mit Argwohn beobachtet. Im Vorfeld der Veranstaltung wurden E-Mails mit Videos herumgeschickt über kriminelle Asylbewerber - aus der Schweiz.

So kamen die Grünauer auch aus unterschiedlichen Motiven. Die eine Hälfte des Saals monierte, »dass Roma nach Grünau kommen, am Bahnhof abhängen und vielleicht bald klauen und in Häuser einbrechen«, »dass den Asylanten alles in den Rachen geschoben wird. Die bekommen Fressen, Miete und zusätzlich Hartz IV, also mehr als wir Deutschen«, wie es ein schlecht informierter junger Mann seinen Nachbarn zuraunte. Oder aber »dass die Politik in Deutschland nichts dagegen macht, dass immer mehr Asylbewerber kommen«.

Dank der gelungenen Moderation von Pfarrer Ulrich Kastner und SPD-Fraktionschef Matthias Schmidt konnte diese dumpfe Fremdenfeindlichkeit nicht die Oberhand gewinnen. Das unterschied die Grünauer Bürgerversammlung deutlich von einer in Rudow, wo vor drei Wochen die örtliche CDU aufgebrachte Bürger gegen eine geplante Containerunterkunft für Asylbewerber einlud.

Nach der Hälfte der Veranstaltung verließ eine Gruppe von zehn dieser jungen Männer den Saal. »Die wollen uns hier umerziehen. Da kann ich auch den Fernseher anmachen. Dort wollen sie uns auch immer umerziehen«, murrte einer zum Abschied.

Andere Bürger boten dem privat betriebenen Notaufnahmeheim Hilfe an. Beispielsweise durch Spielzeugspenden und Kinderkleidung. Oder sie sorgten sich, dass die Menschen auf viel zu wenig Raum zusammengepfercht wohnen müssen.

Eine Sprecherin des Landesamtes für Gesundheit und Soziales erläuterte die Situation: Die Zahl der neu nach Berlin kommenden Asylbewerber ist rapide angestiegen. In diesem Jahr kamen bereits 40 Prozent mehr Menschen neu nach Berlin als im vergangenen Jahr. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ermögliche es nicht, dass die Flüchtlinge schnell Wohnungen finden. »Da haben wir zuerst in die bestehenden Heime mehr Betten hineingestellt. Aber irgendwann ging das nicht mehr. Jetzt richten wir Notaufnahmeheime ein, damit die Flüchtlinge nicht auf der Straße leben müssen.« Acht Notunterkünfte gibt es inzwischen in Berlin inklusive einem Bettenlager in Büroräumen des Landesamtes für Gesundheit und Soziales selbst. Die Vertreter des Bezirkes Treptow-Köpenick kritisierten, dass das Land die Einrichtung von Notunterkünften nicht mit einer Öffentlichkeitsarbeit für die Nachbarn verbindet. Das sei nötig, um Vorurteile abzubauen.

Notaufnahmeheime heißt, dass die Bedingungen schlechter sind als es für Gemeinschaftsunterkünfte eigentlich definiert ist. In Grünau können sich die Bewohner noch glücklich schätzen, dass es überhaupt Duschen gibt.

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