Neuer Impuls für die Nordstaat-Debatte

Schleswig-Holsteins Grüne für Länderfusion

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Basis der Grünen Schleswig-Holsteins unterstützt die Vision eines neuen norddeutschen Bundeslandes. Das ist das Ergebnis einer Urabstimmung. Mit welchen Nachbarn genau zusammengegangen werden soll, blieb dabei offen.

Die Debatte um einen Nordstaat wird wieder neu entfacht. Zu verdanken ist dies der grünen Basis in Schleswig-Holstein, die sich bei einer Mitgliederbefragung mehrheitlich für eine neue Grenzziehung - in welcher Form auch immer - ausgesprochen hat.

2100 Mitglieder durften mitstimmen, 1189 taten es - das sind 56,6 Prozent Wahlbeteiligung. 55,1 Prozent votierten für ein Vorantreiben einer Nordstaat-Debatte, 40 Prozent waren dagegen. Es gab 4,6 Prozent Enthaltungen und 0,3 Prozent ungültige Stimmen. Vorausgegangen waren Landesparteitage, bei denen äußerst kontrovers über das Thema diskutiert wurde. Schließlich verständigte man sich auf eine Urwahl. Nun gilt es, das Votum umzusetzen, zumal das angedachte neue Gebilde noch in keiner Weise konkretisiert wurde. Letzteres soll auf einem Treffen der Landesvorstände der Nord-Grünen - also von Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen - am 5. November in Berlin passieren.

Modellcharakter könnte da unter anderem die - hauptsächlich aus wirtschaftlichen Erwägungen propagierte - Metropolregion Hamburg bekommen. Diese umfasst bereits Teile von Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Dass eine Fusionsidee nur realisiert werden kann, wenn beim Länderfinanzausgleich anschließend nicht gekürzt wird, versteht sich für die Grünen von selbst. »Ein freiwilliges Zusammengehen darf nicht noch bestraft werden«, sagt die schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Ruth Kastner. Nun müsse erst einmal bei den Grünen in den Nachbarländern Überzeugungsarbeit geleistet werden, dann bei den anderen Parteien.

Irgendwann einmal können sich die Nord-Grünen womöglich ihres Pioniergeistes rühmen - momentan ist die Basisentscheidung allerdings nicht mehr als ein Signal. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) als Partei der dänischen Minderheit jedenfalls will das Projekt auf keinen Fall unterstützen. Ein Nord-Bundesland würde nach SSW-Ansicht eine Schwächung der deutsch-dänischen Grenzregion bedeuten, da es schon formal geografisch auf eine neue Konzentration in südlicher Richtung hinauslaufen würde. Mit dieser Auffassung hat der SSW erst einmal ein Stoppschild für die laufende Legislaturperiode bis 2017 gesetzt, denn er stellt zusammen mit SPD und Grünen die Landesregierung - und diese Koalitionäre sind dabei auf den SSW angewiesen.

Auch führende Hamburger Sozialdemokraten aus dem Senat sind gegen einen Nordstaat. Und bei Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD) rennt man mit der Nordstaat-Idee auch nicht gerade offene Türen ein. Eine engere parlamentarische Verzahnung zwischen Hamburger Bürgerschaft und Schleswig-Holsteins Landtag will die SPD allerdings forcieren. Im Gespräch ist dabei ein gemeinsamer Zwei-Länder-Ausschuss.

Eine Enquetekommission des Landtages in Kiel hatte sich in der vergangenen Legislaturperiode bereits zwei Jahre lang mit dem Thema beschäftigt. Für 100 000 Euro fand man heraus, dass mehr praktische Kooperationen zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg sinnvoll seien. In besagter Kommission entdeckte man aber auch, dass der bundespolitische Einfluss Schleswig-Holsteins und Hamburgs im Fall einer Nordehe schwinden würde: Im Bundesrat hätte man dann nur noch vier Stimmen anstatt jetzt sieben (Schleswig-Holstein: vier, Hamburg: drei). Bei der CDU findet man nirgends glühende Verfechter für einen Nordstaat.

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