Das Gefühl in der Ecke

Gruppenausstellung in der Galerie Wagner

  • Robert Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Schon ein wenig depressiv: Dieser Eindruck drängt sich auf, betrachtet man die zehn kleinen Bilder des niederländischen Künstlers Erwin Olaf, die, platziert rundherum an den Außenwänden eines ovalen kleinen, in der Galerie aufgestellten Häuschens, Menschen zeigt, die nach innen gewandt sind. Bis auf eine Ausnahme schauen sie alle mit leicht gesenkten Köpfen auf die Wand vor ihnen. Mit »I am not interested in Reality« zeigt die Galerie Wagner + Partner eine Gruppenausstellung bekannter Fotokünstler - die letzte Schau an diesem Ort, die Galerie zieht nächstes Jahr um zum Strausberger Platz.

Realität definiert sich durch Zugang, Vergleiche können unser Werterleben beeinflussen. Sind wir zuweilen einer Überdosis Realität ausgesetzt, weil Staat und Gesellschaft diese oft sehr marktschreierisch an uns herantragen? So betrachtet wirken Erwin Olafs Protagonisten ausgesprochen angenehm, weil sie keine Forderungen nach einem wie auch immer gearteten allgemeinen Sein stellen. Olafs ausgeprägte homoerotische Ästhetik mag ansprechen oder auch gegenteilige Wirkung haben, aber sie vermag Bilder von Menschen zu vermitteln, die sehr individuell wirken und den Eindruck von tiefer Emotionsfähigkeit hinterlassen. Durch die Anordnung der Bilder an den Außenwänden des Häuschens entsteht der Eindruck, man blicke durch ein Schlüsselloch auf Menschen in sehr intimen Zuständen. Eine Perspektive, die einem das Gefühl geben kann, klammheimlich und diebisch auf das Entblößte zu schauen.

Ein weiterer Künstler der Ausstellung ist Thomas Wrede, der mit trügerischen Perspektiven spielt. Wrede setzt Miniaturobjekte wie Häuser oder Spielzeugautos in eine Landschaft und fotografiert das Ganze so, dass man meint, auf ein »reales« Bild zu blicken. Entlarven kann man die Täuschung erst, wenn man ganz genau hinsieht. Im Ganzen eine spannende Ausstellung, die im Kontext des Europäischen Monats der Fotografie steht. Kommentiert wird die Ausstellung von der Galerie selbst so: »›I am not interested in Reality‹ zeigt fünf internationale Fotokünstler, die sich frei von einem dokumentarischen Ansatz mit Reflexionen, Inszenierungen und Neukonstruktionen von Realität beschäftigen.«

Bis 30.11., Di.-Sa., 12-18 Uhr, Karl-Marx-Allee 87

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal