»Wir haben Wort gehalten«

  • Lesedauer: 3 Min.
(epd). Vor 100 Jahren wurde in Ägypten die Büste der Königin Nofretete ausgegraben. Zu ihrer Bedeutung und zum Umgang mit Rückforderungsansprüchen äußerte sich der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger.

nd: Die Nofretete ist seit langem »Kult«. Was ist Ihre Erklärung dafür?
Parzinger: Die Nofretete ist in vielerlei Hinsicht ein ganz besonderes Kunstwerk - nicht nur wegen des Hypes. Es ist diese faszinierende, naturgetreue Gestaltung, ein typisches Merkmal für die Kunst der Amarna-Zeit, die nur sehr kurz andauerte. Nofretete wie auch ihr Gemahl Echnaton werden nicht idealisiert dargestellt, sondern wir haben den Eindruck so, wie sie wirklich aussahen. Das ist in der ägyptischen Kunst etwas ganz Besonderes.

In den vergangenen Jahren wurden von ägyptischer Seite immer wieder Rückforderungsansprüche erhoben. Wie ist hier der aktuelle Stand der Dinge?
Eine offizielle Rückforderung von der ägyptischen Regierung hat es nie gegeben. Das Verhältnis mit der heutigen Antikenverwaltung Ägyptens und mit Fachkollegen ist von dem beiderseitigen Wunsch der Zusammenarbeit geprägt.

Worauf gründet sich der Eigentumsanspruch der Stiftung?
Die Büste der Nofretete war ein Geschenk von James Simon an die Staatlichen Museen zu Berlin. Er war der Finanzier der Ausgrabungen in Amarna, bei denen Ludwig Borchardt die Büste fand. Entsprechend der damaligen Antikengesetze Ägyptens wurde der Fund geteilt.Der ganze Vorgang ist gut dokumentiert und mitsamt der Fotografien, die zur Fundteilung vorlagen, im Jahrbuch der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 2010 publiziert.

Ist die Stiftung von anderer Seite mit Rückforderungsansprüchen konfrontiert?
Von der Türkei werden drei Objekte zurückgefordert, zwei Stücke aus dem Museum für Islamische Kunst und ein antiker Torso, die wir alle bereits abschlägig beschieden haben. Der rechtmäßige Erwerb steht für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bei diesen Objekten außer Zweifel. Diese Ansprüche sind sicherlich im Zusammenhang mit der allgemeinen Rückforderungspolitik der Türkei zu sehen, mit denen derzeit viele Museen in ganz Europa und Nordamerika überzogen werden.

Im vergangenen Jahr hat die Stiftung der Türkei die »Sphinx von Hattusa« zurückgegeben. Warum diese Nachgiebigkeit?
Das war keine Nachgiebigkeit. Bei einer türkischen Grabung in Hattusa wurden 1906 Fragmente von zwei Sphingen aufgefunden und später nach Berlin gebracht, um hier restauriert zu werden. Nach Auffassung der deutschen Seite war damit die dauerhafte Überlassung von einer der beiden Figuren verbunden. Unterlagen dazu sind aber nicht mehr vorhanden.

Angesichts des besonderen historischen Verhältnisses, das beide Länder miteinander verbindet, haben wir uns daher zu dieser Geste einer freiwilligen Übergabe der Sphinx entschlossen. Das war keine Restitution. Wir haben zudem eine engere Kooperation auf dem Gebiet der Archäologie und in der Museumsarbeit vereinbart. Dabei wurden uns auch Leihgaben zugesagt. Wir haben Wort gehalten, die andere Seite aber leider nicht.

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