Rot-Rot will Volksbegehren ablehnen

Brandenburgs SPD und LINKE einigen sich auf Bemühungen um bundesweites Nachtflugverbot

Nach dem erfolgreichen Ausgang des Volksbegehrens für ein striktes Nachtflugverbot am Hauptstadtflughafen in Schönefeld bei Berlin ist jetzt Brandenburgs Landtag am Zug. Gestern beschäftigten sich die Fraktionen mit der neuen Situation. Dabei ist die Haltung auch in den Fraktionen nicht einheitlich.

106 332 Unterschriften gegen Nachtflüge am Großflughafen Schönefeld - dieses Ergebnis beeindruckte Brandenburgs rot-rote Koalition sichtlich. SPD und LINKE halten sich zugute, die Hürden für Volksbegehren gesenkt zu haben, so dass diesmal auch schon 16-Jährige abstimmen durften. Dennoch will die Koalition das Volksbegehren ablehnen. Damit wäre der Weg frei für einen Volksentscheid, der Ende Mai oder Anfang Juni stattfinden würde. Eine einfache Mehrheit reicht dabei nicht aus. Mindestens 534 000 Brandenburger müssten sich beteiligen und für das Flugverbot votieren.

Taktische Manöver

SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher wünscht sich den Volksentscheid regelrecht. »Dann werden wir sehen«, sagte er gestern. Ihm ist klar, dass sich die Forderung nach Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr nun nicht mehr einfach vom Tisch wischen lässt. Doch ihm ist auch bewusst, dass die anderen Flughafengesellschafter Bund und Berlin nicht mitspielen würden, wenn das Brandenburger Verkehrsministerium ein strikteres Nachtflugverbot im Alleingang verfügen würde. Das hätte juristisch keinen Bestand, weil das zugesicherte Flugverbot - nur von 0 bis 5 Uhr - vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt ist.

Diese Regelung hält Holzschuher bereits für einen Kompromiss zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Anwohner. Die SPD-Fraktion sehe deshalb wegen des Volksbegehrens keinen Grund, ihre Meinung zu ändern. Etwas anderes wäre es, wenn der Bundestag ein deutschlandweites oder besser noch die EU ein europaweites Nachtflugverbot verfügen. Damit hätte Holzschuher kein Problem, weil Schönefeld dann gegenüber anderen Airports keinen Standortnachteil hätte.

Während die Brandenburgs SPD ein bundesweites Nachtflugverbot scheinbar lediglich toleriert, setzt die LINKE voll auf diese Chance. Am Sonntag will sie diesen Vorschlag ihrer Bundestagsfraktion unterbreiten. »Wir wollen keinen Nachtflug in Schönefeld, aber auch nicht in Hannover«, sagte Landtagsfraktionschef Christian Görke. Die Aussichten sind aber schlecht, weil die CDU gegen Nachtflugverbote ist.

LINKE-Verkehrsexpertin Kornelia Wehlan hat das Volksbegehren sogar selbst unterschrieben, würde es aber im Landtag dennoch ablehnen. Sie möchte zwar, dass zwischen 22 und 6 Uhr in Schönefeld weder gestartet noch gelandet werden darf. Ihr und ihren Fraktionskollegen missfällt aber die zusätzliche Forderung des Volksbegehrens, Flüge zu verlagern, etwa nach Sperenberg, Cottbus-Drewitz oder Neuhardenberg. Wehlan lehnt das aus ökologischer und ökonomischer Sicht ab und auch wegen der Gesundheit der Bürger dort. Flugzeuge seien das umweltschädlichste Verkehrsmittel, kurze Strecken sollten besser auf der Schiene zurückgelegt werden, erklärte die Abgeordnete.

FDP gespalten

Auch den Grünen passt eine Verlagerung nicht. Dagegen kann sich die FDP mit dieser Idee anfreunden. »Die Option für eine dritte Startbahn oder einen Ausweichstandort muss man offen halten«, meinte Fraktionschef Andreas Büttner. Er will das Volksbegehren dennoch ablehnen. Sein Argument: Nachtflugverbote schaden der Wirtschaft. Selbst der FDP-Abgeordnete Raimund Tomczak stellt sich hinter diese Position, obwohl er in Königs Wusterhausen und damit am Großflughafen wohnt. Die anderen beiden FDP-Abgeordneten in den Einflugschneisen, Marion Vogdt und Hans-Peter Goetz, möchten dem Volksbegehren zustimmen. Fraktionschef Büttner übt in dieser Frage keinen Fraktionszwang aus.

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