Seelower Höhen immer im Zeitgeist

Ministerpräsident eröffnet am Sonnabend neue Dauerausstellung in der Gedenkstätte

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Seelow (dpa/nd). Etwa hundert tote Soldaten werden noch heute jedes Jahr im Oderbruch gefunden. Sie starben im Frühjahr 1945 bei der größten Schlacht des Zweiten Weltkriegs auf deutschem Boden. Die sowjetischen Truppen schafften hier in einem verlustreichen Kampf den Durchbruch nach Berlin und machten damit einen der letzten wichtige Schritte zur Befreiung Deutschlands und Europas vom Faschismus.

Genau hier erinnert die Gedenkstätte Seelower Höhe seit 40 Jahren an dieses Kapitel der Geschichte. Am Sonnabend soll Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zum Jubiläum eine neue Dauerausstellung eröffnen, sagte der Leiter der Einrichtung, Gerd-Ulrich Herrmann.

Bislang standen vor allem die militärischen Ereignisse der Schlacht um die Seelower Höhen im Fokus. Jetzt wird die Gedenkstätte selbst auch zum Objekt. Je nach politischem System sei in den bislang drei Ausstellungen seit 1972 sehr unterschiedlich an die historischen Ereignisse erinnert worden, erklärte Herrmann. »In der DDR wurde der Ort benutzt, um Freundschaft mit der UdSSR zu demonstrieren«, berichtete er. Die Rote Armee sei glorifiziert worden, man habe sowjetische Delegationen regelmäßig hierher geführt. 1995, in der ersten Ausstellung nach der Wende, sei dann die DDR überhaupt nicht vorgekommen. Die Schlacht und die Opfer seien wenig differenziert dargestellt worden.

Jetzt werde erstmals versucht, alle verfügbaren Fakten und Funde wissenschaftlich aufzuarbeiten. Ein dreiköpfiges Wissenschaftlerteam unter Leitung des Potsdamer Historikers Sebastian Nagel habe in Archiven zur Entstehung des Denkmals wie zu seiner politischen Funktion als Ehrenmal und Erinnerungsort in der DDR recherchiert. Das sei extrem aufwändig gewesen, weil es keine wissenschaftliche Vorarbeit gegeben habe. Unterstützung sei unter anderem von russischen Kollegen und vom Beirat der Einrichtung gekommen, erläuterte Herrmann.

In Gedenkstätten, die an Naziverbrechen und an den Kampf gegen die Hitlerdiktatur erinnern, eine angebliche oder tatsächlichen Instrumentalisierung dieser Orte durch die DDR darzustellen, das gehört mittlerweile zum Repertoire. Ähnliches findet sich beispielsweise in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen oder in der Euthanasiedokumentation in Brandenburg/Havel. Oft wird in diesem Zusammenhang auch abwertend von ritualisiertem Gedenken gesprochen. Beleuchtet wird jetzt an den Seelower Höhen auch, wie in anderen Ländern an die Schacht erinnert wird. Auch die Funde von Leichen und Munition in der Region sind ein Thema. Nach wie vor sind aber die militärischen Ereignisse zentraler Bestandteil der Ausstellung, Uniformen und Waffen werden gezeigt. Anders als früher sei deren Zahl aber beträchtlich reduziert worden, sagte Herrmann. Berichte von Zeitzeugen ergänzen die Objekte.

Neu sei, dass Besucher nun zahlreiche moderne Medien nutzen können. Per viersprachigem Audioguide geht es durch die denkmalgeschützte Außenanlage, im Museum kann man sich an Medieninseln mit Ton- und Filmaufnahmen informieren. Bund und Land haben den gut anderthalbjährigen Umbau und die neue Konzeption mit 450 000 Euro gefördert. Auch der Landkreis und die Russische Botschaft beteiligten sich.

2012 wurden rund 17 000 Besucher gezählt, etwas weniger als sonst. Allerdings war das Museum wegen des Umbaus drei Monate geschlossen. Viele Besucher kommen aus dem Ausland, an der Spitze stehen dabei Gäste aus England, Amerika und Skandinavien. Mit der neuen Ausstellung sollen wieder mehr Besucher kommen.

Gedenkstätte Seelower Höhen, Küstriner Straße 28a, geöffnet Di. bis So. von 10 bis 17 Uhr (November bis März nur bis 16 Uhr), gedenkstaette-seelower-hoehen.de

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