Ist Telepathie ein Quanteneffekt?

Warum die Physik nicht zum Beweis der Esoterik taugt

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.

Niels Bohr nannte die von ihm mitbegründete Quantenmechanik gelegentlich eine »verrückte Theorie«, die unserer alltäglichen Erfahrung völlig widerspreche. Es ist daher kein Zufall, dass sich auch viele Esoteriker der Quantenmechanik bedienen, um übersinnliche Phänomene zu erklären. Besonders beliebt ist in diesem Zusammenhang die sogenannte Verschränkung, eine nicht-lokale Wechselwirkung, bei der atomare Teilchen selbst über kosmische Entfernungen in gewisser Weise verbunden bleiben. Das heißt: Verändert man das eine Teilchen, verändert sich sogleich auch das andere. Was Bohrs Kollege Albert Einstein noch als »spukhafte Fernwirkung« abtat, gilt heute als experimentell bestätigt.

Bei Esoterikern ist die Versuchung mithin groß, die quantenmechanische Verschränkung zur Erklärung dessen zu benutzen, was man gemeinhin Gedankenübertragung oder Telepathie nennt. Eine solche Erklärung lautet zum Beispiel: Sobald sich zwei oder mehrere verschränkte Teilchen in den Gehirnen zweier Personen befinden, ist womöglich auch die zu übertragende Information in beiden Köpfen präsent. Die Sache hat nur einen Haken. Weil das Gehirn nicht von seiner Umgebung isoliert ist, wird eine Verschränkung, sofern sie denn überhaupt auftritt, augenblicklich zerstört.

Die Quantenmechanik zur Begründung esoterischer Positionen heranzuziehen, sei »blanker Unsinn«, sagt der Wiener Physiker Anton Zeilinger: »Ich glaube, die Quantenphysik ist philosophisch viel schwerer fassbar, als das ganze Esoterik-Camp sich vorstellen kann.«

Zeilinger war übrigens der Erste, dem es gelungen ist, bestimmte Eigenschaften (Quantenzustände) eines Teilchens mittels Verschränkung im Experiment auf ein anderes Teilchen zu übertragen. Diese sogenannte Quantenteleportation haben inzwischen auch einige Alternativmediziner für sich entdeckt. Denn bis heute ist es ein Mysterium, wie homöopathische Hochverdünnungen, die häufig kein einziges Molekül des ursprünglichen Arzneistoffs mehr enthalten, trotzdem eine biologische Wirkung entfalten sollen.

»Homöopathie könnte eine makroskopische Form von Teleportation sein,« vermutet Harald Walach, der an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) das »Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften« leitet. Er beruft sich dabei auf Samuel Hahnemann, den Begründer der homöopathischen Lehre. Dieser habe ebenfalls an »nicht-lokale Modelle« gedacht, um die geistartige Wirkung seiner Arzneien zu erklären. Hieran anknüpfend betrachtet Walach die Homöopathie als ein System, das auf einer zweifachen Verschränkung beruht: Eine bestehe zwischen der hochverdünnten Arznei und dem ursprünglichen Wirkstoff, die andere zwischen den individuellen Symptomen des Patienten und jenen Symptomen, die der Arzneistoff nach homöopathischer Lesart bei einem Gesunden auslöst.

Das alles klingt zwar recht wissenschaftlich und mag für manchen Homöopathen durchaus suggestive Kraft haben. Für Zeilinger hingegen gehören solche Versuche, eine »Quantenmedizin« zu etablieren, in den Bereich müßiger Spekulationen. Und er ärgert sich, wenn man ihn dafür noch als eine Art Kronzeugen anführt: »Dass ein Bezug zwischen meiner Arbeit und der Homöopathie hergestellt wird, ist wissenschaftlich unbegründet.« Denn es gebe keinen Beweis, dass ein Wirkstoff Informationen in einer Lösung hinterlasse, in der er selbst nicht mehr enthalten sei. Zeilingers Resümee lautet daher: »Homöopathie ist ein reiner Placeboeffekt.«

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