Rassistisches Motiv für Mordversuche

Angeklagter gibt Einblicke in seine stumpfe Welt

  • Theo Schneider
  • Lesedauer: 3 Min.

Am zweiten Verhandlungstag im Berliner Landgericht wegen zweifachen versuchten Mordes, machte gestern der Angeklagte eine umfangreiche Aussage und ließ an seinem rassistischen Motiv keinen Zweifel. Laut Anklage habe der 25-jährige Stephan H. »aus tiefer Abneigung gegen Mitbürger nichtdeutscher Herkunft« am 9. Oktober 2011 mehrfach wortlos mit einem Messer auf den Koch einer Pizzeria im Ortsteil Oberschöneweide eingestochen, bis die Klinge abbrach. Nur durch eine Not-OP konnte das Opfer Khalil E. damals gerettet werden. Wenige Monate später soll der Angeklagte am 2. Februar 2012 in der JVA Plötzensee einen vietnamesischen Mithäftling »aus bloßem Fremdenhass« ebenfalls mit einem Messer attackiert haben. Auch hier wurde das Opfer lebensgefährlich verletzt. In beiden Fällen wurden die Opfer von den Attacken völlig überrascht.

Gestern äußerte sich Stephan H. zu den Vorwürfen und gab tiefe Einblicke in seine stumpf-rassistische Vorstellungswelt, die nicht nur beim Gericht für Kopfschütteln sorgte. Aus Notwehr will er den Mithäftling Tuan Vu Ho. niedergestochen haben, weil H. sich wegen lauter Musik bei ihm beschweren wollte und dabei eine Schlägerei mit seinem späteren Opfer anzettelte. Das Messer hätte er zuvor in seiner Hosentasche »vergessen« und nur um sich »zu verteidigen« eingesetzt. Ho. soll früher zudem vietnamesischer Zigarettenhändler gewesen sein, die H. ablehnt, weil diese ihm zufolge »gezielt Zigaretten an schwangere Frauen und Kinder verkaufen« würden. Immer wieder bezeichnet er Zeugenaussagen, selbst ärztliche Atteste die verlesen wurden, als »Lüge«.

Den Vorfall in Oberschöneweide bestritt er gänzlich. Überführen wird ihn vermutlich die Angewohnheit, die Klingen seiner Messer mit schwarzem Lack zu übersprühen, wie bei der Tatwaffe in Oberschöneweide. Zumal H. nicht erklären konnte, warum aus seiner umfangreichen Sammlung, ausgerechnet dieses fehlte. In einer früheren Aussage bezeichnete er den Betroffenen als »Jude«, wegen seiner dunklen Haar- und Augenfarbe. Heute bekräftigte er dies, da es ihm zufolge nur blonde und blauäugige Arier, Juden und Schwarze als »Rassen« gäbe. Er selbst bezeichnet sich als »Mischling«, da er selbst in dieses Schema nicht passt, sei aber »national«. Die Wohnung hatte er mit einer Reichskriegsfahne und Hakenkreuzen bemalt, außerdem besaß H. Hitler-DVDs.

Vor Gericht wurden auch die Betroffenen der Gewaltattacken gehört. Die Aussage von Tuan Vu Ho. wurde allerdings bereits früher aufgezeichnet, weil er mittlerweile abgeschoben wurde. Das zweite Opfer Khalil E. leidet bis heute schwer unter den Folgen des Angriffs: Allein verlässt er freiwillig nicht mehr die Wohnung und bekommt regelmäßig Angstanfälle. Noch immer hat er Schmerzen an den Wunden und muss alle zwei Wochen ins Krankenhaus zur Nachuntersuchung. Sein Leben ist seit dem Vorfall stark eingeschränkt, er ist arbeitsunfähig und kann seine Hand nichtmehr richtig nutzen. Die beiden Betroffenen erkannten Stephan H. zweifelsfrei als Täter wieder. Weitere Verhandlungstage sind angesetzt.

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