Anruf aus dem Jenseits

Wie ein Vogtländer von der Rentenkasse für tot erklärt wird - und beweisen muss, dass er noch lebt

  • Christiane Raatz und Jörg Schurig, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Totgesagte leben länger. Vielleicht ist das der einzige Trost für Menschen, die von Behörden fälschlich für tot erklärt werden. Doch auch vom Gegenteil will die Bürokratie erst einmal überzeugt sein, wie ein Fall aus Sachsen zeigt.

Auerbach. Joachim Lang aus Auerbach im Vogtland sitzt der Schock noch immer in den Gliedern. Am 28. Dezember 2012 bekommt der 62 Jahre alte Vorruheständler die unheilvolle Botschaft von seinem Ableben. Sein Hausarzt hat die Todesnachricht von Langs Krankenkasse in Dresden erhalten. Die wiederum war von der Deutschen Rentenversicherung in Berlin informiert worden.

»Ich war sprachlos, fassungslos. Da denkt man in alle Richtungen. Die totgesagten Zellen arbeiten«, schildert Lang seine Eindrücke vom Nachruf in eigener Sache. Doch schon bald habe er Wut in seinem Bauch gespürt. »Ich musste den Behörden beweisen, dass ich noch am Leben bin.«

Lang telefoniert sich am 28. Dezember die Finger wund. Er geht zum Rentenservice der Deutschen Post, die den Zahlungsverkehr der Rentenversicherung regelt: »Rufen Sie bitte in Berlin an und sagen Sie, dass ich noch lebe.« Lang muss zur Identifikation die Mütze abnehmen. Die Mitarbeiterin gibt der Behörde in Berlin zu verstehen, dass der Totgesagte - Sterbedatum: 2. November 2012 - leibhaftig vor ihr steht.

Als Lang selbst mit der Versicherung telefoniert, stößt er nach eigenem Bekunden auf wenig freundlichen Zuspruch. »Die haben mit mir wie über eine tote Person geredet. Zwischen den Zeilen wollten die mir wohl sagen: Da kann ja jeder kommen und etwas behaupten.«

Erst zwei Wochen nach Bekanntwerden der Panne räumt die Rentenversicherung den Fehler ein: »Die Rente für Herrn Lang wurde vom Rentenservice irrtümlich eingestellt«, teilt die Versicherung mit. Schuld sei ein Fehler in der Datenerfassung. »Da hat wohl jemand ein falsches Kreuz an der falschen Stelle gesetzt«, erklärt ein Sprecher den Fauxpas. Man habe sich bereits entschuldigt, die Rente werde nachgezahlt. Auch bei seiner Krankenkasse IKK ist der Totgesagte mittlerweile wieder versichert. Dort zeigt man sich überrascht: »Ein ähnlicher Fall ist uns bisher nicht bekannt«, berichtet eine Sprecherin.

»Man fühlt sich in solch einer Situation ohnmächtig. Die Behörden glauben wohl, sie seien unfehlbar«, sagt Lang. Ehefrau Astrid (56) rät ihrem Mann anfangs, den Fall lieber bei der Polizei anzuzeigen. Lang, der bis zur Pensionierung Leiter der Geschäftsstelle der Industrie- und Handelskammer (IHK) Auerbach war, geht davon aus, dass er sich mit seiner direkten Art nicht nur Freunde gemacht hat.

Zum 1. Februar soll er die Rente nun rückwirkend erhalten. Bis dahin muss er von Ersparnissen leben. Viele Zahlungen hat er bereits storniert, weil das Geld auf seinem Konto fehlt. Nun sollen ihm Zusatzkosten ersetzt werden. Vom Rentenservice der Post fand er am vergangenen Donnerstag ein Kuvert im Briefkasten - mit vier Briefmarken zu 58 Cent.

Behörden-Pannen mit solch einem Ausgang kommen immer wiedermal vor. Manchmal reicht ein falscher Mausklick. So geschah es 2011 einer 52 Jahre alten Frau aus Goldebek in Nordfriesland. Sie galt zwei Monate lang bei den Behörden als tot - ein Mitarbeiter des zuständigen Standesamtes hatte sich mit seiner Computer-Maus vertan.

Wenn ein Standesamt eine Person als gestorben meldet, werden in der Regel auch alle anderen Behörden wie das Finanzamt und die Rentenversicherung informiert. Eine Seniorin aus Bayern erfuhr im Mai 2005 am Geldautomaten von ihrem Ende: Ihre Geldkarte wurde eingezogen - ein Sachbearbeiter bei der Rentenversicherung hatte Akten vertauscht.

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