Universität mit vorläufiger Haltbarkeit

Landtag beschloss Zwangsfusion / Vier Abweichler in der Koalition / Volksbegehren soll am 10. April starten

Die umstrittene Hochschulfusion in der Lausitz ist beschlossene Sache. Der brandenburgische Landtag machte am Mittwoch mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von SPD und LINKE endgültig den Weg dafür frei. Die Gegner der Fusion wollen ihr Volksbegehren im Frühjahr starten.

Die neue Energieuniversität in der Lausitz »erhält zehn Prozent mehr Geld« als die bisherige Technische Universität Cottbus (BTU) und die Senftenberger Hochschule Lausitz (HL). Die Kapazitäten bleiben erhalten: Mindestens 10 000 Studenten und 288 Professoren werde es geben. So argumentiert die Landtagsabgeordnete Susanne Melior (SPD). Sie hoffe, dass sich nun »die produktive Stimmung in der Lausitz Bahn bricht«.

Am Mittwoch beschloss der Landtag das umstrittene Gesetz zur Errichtung der neuen Universität. Doch läuft eine Volksinitiative gegen die Auflösung von BTU und HL. Es sind 42 359 Unterschriften zusammengekommen. Nächste Stufe ist ein Volksbegehren, bei dem innerhalb von sechs Monaten 80 000 Unterschriften gebraucht werden. Einen Termin gibt es offiziell noch nicht. Vorgesehen ist derzeit ein Zeitraum vom 10. April bis zum 9. Oktober. Damit ist klar, dass ein Volksentscheid, sofern es dazu kommt, nicht auf den Tag der Bundestagswahl fallen könnte, erläutert Bettina Cain, Sprecherin von Landeswahlleiter Bruno Küpper.

»Wir haben keinen Zweifel, dass wir die 80 000 Unterschriften kriegen«, sagt Maja Wallstein von der Volksinitiative »Hochschulen erhalten«. Sie lässt sich nicht davon einschüchtern, dass Cottbus nur rund 100 000 Einwohner zählt, von denen bestimmt nicht alle mitmachen werden. Ohnehin habe man erstaunlicherweise bei der Volksinitiative mehr Unterschriften aus Spremberg als aus Cottbus erhalten, sagt Wallstein, die in Potsdam studiert und Juso-Landeschefin ist. Sie rechnet damit, dass es von den anderen Hochschulen Unterstützung gibt, damit kein Präzedenzfall geschaffen werde.

Für die LINKE im Landtag seien weder die Volksinitiative noch die Position der Genossen vor Ort von Bedeutung gewesen, beschwert sich Ilona Schulz, Linksfraktionschefin im Spremberger Stadtparlament. Auch der Landesvorstand habe eine Diskussion mit dem Kreisverband Lausitz nicht für erforderlich gehalten und sich damit über die Satzung der Landespartei hinweggesetzt, die eine Einbeziehung der Genossen vor Entscheidungen vorschreibe.

Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (für SPD) lässt sich von Gegenvorschlägen nicht beirren. Wenn ein klares Konzept vorläge, wäre Eile nicht das Problem, meint der Spremberger Landtagsabgeordnete Gerd-Rüdiger Hoffmann, der nicht der Linksfraktion, aber der Linkspartei angehört. Denn einmal gewohnte Strukturen seien wahrscheinlich wirklich nur durch energisches Vorgehen zu verändern. Doch es habe leider kein Interesse des Ministeriums gegeben, dass an der großen Aufgabe gemeinsam gearbeitet wird, sagt Hoffmann.

Der CDU-Landesvorsitzende Michael Schierack, ein Medizinprofessor aus Cottbus, spricht von einer »Basta-Politik«. Das Volksbegehren kann die Gründung der neuen Universität nicht mehr verhindern, aber vielleicht wieder rückgängig machen.

25 Abgeordnete stimmten im Landtag gegen das Gesetz, darunter aus den Reihen der rot-roten Koalition drei Cottbuser: die Sozialisten Matthias Loehr und Jürgen Maresch sowie die Sozialdemokratin Kerstin Kircheis. Ein Abgeordneter enthielt sich: Dieter Groß (LINKE). Doch die Koalition hätte sich sogar zehn Abweichler erlauben können. 51 Abgeordnete winkten das Gesetz durch.

»Bis zuletzt hatte ich noch auf Einsicht gehofft«, sagt BTU-Präsident Walther Ch. Zimmerli. Nun müssten sich alle darauf einstellen, dass am 1. Juli 2013 eine neue Hochschule entsteht. Die BTU werde allerdings die erforderlichen Schritte ergreifen, »um das Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüfen zu lassen«.

Die LINKE habe das Fusionsprojekt mit getragen, »weil sie darin einen gangbaren Weg sieht«, erklärt der Hochschulexperte der Linksfraktion, Peer Jürgens. Der durch das Gesetz vorgezeichnete Weg enthalte zahlreiche Chancen, »wenngleich wir auch die Risiken nicht übersehen«.


Fakten

● Die BTU Cottbus gilt als die am schlechtesten finanzierte Technische Universität in Deutschland.

● Im Wintersemester 2012/13 sind an der BTU 6844 Studenten eingeschrieben, davon 2041 Erstsemester.

● 2011 erhielt die BTU vom Land Brandenburg rund 51 Millionen Euro. Dazu warb sie 34 Millionen Euro Drittmittel ein.

● Im Vorfeld der Beschlussfassung im Landtag soll es 400 Gespräche über die Hochschulfusion gegeben haben.

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