Polen trauert um Kardinal Glemp

Behutsamer »Diener der Nation«

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Tod des früheren Primas der katholischen Kirche in Polen, Kardinal Jozef Glemp, hat in dem Land große Trauer ausgelöst. Glemp war am Mittwoch im Alter von 83 Jahren an Lungenkrebs gestorben.

Glemp sei ein Mensch »mit einer großen Vision« gewesen, erklärte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Jozef Michalik, am Donnerstag in Warschau. Er habe der Nation gedient. Die Behutsamkeit allerdings, die Kardinal Glemp in den 28 Jahren seiner Amtsführung als Primas von Polen an den Tag gelegt hatte, war vielen Kirchenfürsten durchaus nicht recht gewesen.

Glemp übernahm sein Amt im Mai 1981, als in Polen der Höhepunkt des »Solidarnosc-Karnevals« erreicht war. Der Nachfolger des »Jahrtausendprimas« Stefan Wyszyński (1948-1981), der dem damaligen polnischen Staat kämpferisch gegenübergestanden hatte, wurde scharf kritisiert, als er am 13. Dezember 1981 in einer Predigt warnte: »Der Widerstand gegen Bestimmungen der Machthaber kann einen gewaltsamen Gehorsamszwang gegenüber der Gesellschaft, einschließlich Blutvergießen, hervorrufen, denn die Machthaber verfügen über bewaffnete Kräfte ...« Skeptisch war er auch gegenüber der im Untergrund sehr aktiven »Solidarnosc«, und sein Verhältnis zu militanten Vertretern des Klerus war angespannt. Mit seinem Segen führten Vertreter des Episkopats Mitte der 80er Jahre Sondierungsgespräche und schließlich Verhandlungen über die Normalisierung der Lage in Polen - was in Konsequenz zum Runden Tisch führte.

Nachdem Glemp sich zunächst ablehnend zu einem EU-Beitritt Polens verhalten hatte, ließ er sich unter dem Einfluss von Papst Johannes Paul II. bekehren. Sehr kritisch betrachtete er die politischen Ausfälle des Paters Tadeusz Rydzyk in »Radio Maryja«, doch blieb er erfolglos, da manche Bischöfe Rydzyk offen unterstützten. Andererseits beschimpfte er Intellektuelle, die gegen den zunehmenden Einfluss der Kirche auf das öffentliche Leben und gegen die deren Habgier auftraten, als »bellende Köter«.

Jozef Glemp initiierte den Bau einer Gedächtniskirche im Warschauer Stadtteil Wilanów, die zum Dank für die Verfassung von 1791 errichtet werden sollte. In der Gruft des immer noch nicht fertiggestellten Gotteshauses wird er am Montag beigesetzt. Foto: AFP

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal