Arbeiten für Gottes Lohn?

Tarifflucht und Niedriglöhne - wie die evangelische Kirche mit ihren Mitarbeitern umgeht

  • Lesedauer: 3 Min.
»Arbeiten für Gottes Lohn - Wie die Kirche ihre Sonderrechte ausnutzt«, hat die Filmemacherin Gita Datta ihre Reportage genannt, die am 28. Januar in der ARD ausgestrahlt wird (22.45 Uhr). Warum die evangelische Diakonie besonders negativ auffällt, hat sie Thomas Klatt berichtet.
Filmemacherin Gita Datta
Filmemacherin Gita Datta

nd: Warum haben Sie in Ihrem Film vor allem die Diakonie aufs Korn genommen, die Caritas aber außen vor gelassen?
Gita Datta: Mir fiel während der Recherchen auf, dass es gerade bei der Diakonie einen regelrechten Tarifdschungel gibt. Wir haben es bei der Diakonie in ganz Deutschland allein schon mit 16 verschiedenen Tarifkommissionen zu tun. Dagegen ist die Caritas um einiges hierarchischer aufgebaut. Da wird vom Bischof anscheinend mehr von oben nach unten durchregiert. Und das mal im positiven Sinn, dass die Caritas sich noch in vielen Bereichen am Tarif des öffentlichen Dienstes orientiert.

Ein Betrieb lässt sich ja nicht gerne in die Karten schauen. Gab es Ihnen gegenüber eine Offenheit?
Der Präsident des Diakonischen Werkes in Deutschland, Johannes Stockmeier, war zum Interview nicht bereit. Aus Termingründen, wie es hieß. Auch mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider kam es nicht zu einem Interview. Die Diakonischen Werke auf landeskirchlicher Ebene standen in der Regel aber zumindest für Hintergrundgespräche zur Verfügung. In den Einrichtungen selbst wurde ich unterschiedlich aufgenommen. Gerade das bekannte Bethel bei Bielefeld hat Dreharbeiten nicht zugelassen. Das hat mich sehr überrascht. Für ein Interview war man nicht bereit. Selbst auf schriftliche Fragen wollte man mir nicht antworten.

Die Gewerkschaften kritisieren die Kirchen schon lange. Es ist von Lohndumping oder Outsourcing die Rede.
Also von Lohndumping will ich explizit nicht sprechen. Trotzdem wird in der Diakonie jetzt nicht besonders viel verdient. Wer bei der Diakonie anfängt, ist erst mal nicht schlecht gestellt. Je länger er dort aber arbeitet, um so deutlich schlechter ist er gestellt etwa im Vergleich zu Kollegen im öffentlichen Dienst. Der Mindestlohn liegt in dieser Branche ja schon so niedrig, da kann man beim heutigen Fachkräftemangel etwa in der Pflege kaum noch darunter gehen.

Wenn schon die Diakonie-Manager zum Teil nicht mit Ihnen reden wollten, bekamen Sie wenigstens die Mitarbeiter vor die Kamera?
Das hätte ich vorher nicht gedacht, dass es so schwer war, an die Leute heranzukommen. Es sind Menschen, die im Sozialbereich tätig sind, die Gutes tun aus dem Willen heraus helfen zu wollen. Dann noch kombiniert mit Kirche in einem Klima wo man denkt, man sollte eigentlich gar keinen Lohn bekommen. Die Nächstenliebe spielt noch eine große Rolle. Und dann gibt es viele Leute, die einfach Angst um ihren Arbeitsplatz haben. Einer sagte mir, wenn ich jetzt hier im Fernsehen auftrete, da stehen 20 andere Physiotherapeuten auf der Straße, die meinen Arbeitsplatz haben wollen.

Für die Kirchen arbeiten rund 1,3 Millionen Menschen. Damit sind die Kirchen der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland. Wie findet man da die »schwarzen Schafe« der Branche?
Ich will gar nicht behaupten, dass ich die größten schwarzen Schafe gefunden habe. Mir war es wichtig zu zeigen, wo die Systemfehler liegen. Da gibt es zum Beispiel die Stiftung Diakoniewerk Kropp in Schleswig-Holstein. Wieso ist es möglich, dass dieser große Arbeitgeber eigene Haustarifverträge machen darf? Das ist deshalb möglich, weil keiner darüber wacht und das übergeordnete Diakonische Werk Schleswig-Holstein das nicht einmal einfordert.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal