Langes Warten, gedämpfte Aussichten

In Madrid beginnt der Prozess im Dopingskandal Operación Puerto / Arzt Fuentes bediente die Konkurrenz von Lance Armstrong

  • Tom Mustroph, Madrid
  • Lesedauer: 4 Min.

Sieben Jahre warten auf einen Prozess ist auch für den Chef der Madrider Staatsanwaltschaft Eduardo Esteban eine lange Zeit. »Die Mühlen unserer Justiz mahlen langsam, aber so langsam gewöhnlich nicht«, seufzte er vor zwei Wochen in seinem Büro mit Panoramablick auf Madrid.

Heute wird der Prozess der 2006 abgeschlossenen Operación Puerto endlich eröffnet. Angeklagt sind die beiden Ärzte Eufemiano Fuentes und dessen Schwester Yolanda sowie die früheren Rennstallmanager im Profiradsport Manolo Saiz (ONCE) und José Ignacio Labarta (Kelme). Dem bislang ebenfalls angeklagten Hämatologen José Luis Merino Batres ersparte das Gericht wegen »leichter bis mittelschwerer Alzheimererkrankung« den Gang in den Anhörungssaal.

Ein sechster Angeklagter, der mutmaßliche Dopingkurier von Fuentes, Alberto Leon, wurde ebenfalls aus der Anklage gestrichen. Er hielt dem Druck des Verschweigegeschäfts im Doping offenbar nicht stand und nahm sich vor fast genau einem Jahr das Leben. Von einigen Nebenklägern - unter anderem die Weltantidopingagentur WADA und Weltradsportverband UCI - wird auch der frühere Rennstallmanager Vicente Belda ins Visier genommen.

Ihm und dem verbliebenen Quartett wird Gesundheitsgefährdung vorgeworfen. Für Hilfe beim Doping, dem Kerndelikt also, können die Beschuldigten nicht belangt werden. Im Mai 2006, als die Festnahmen und Razzien erfolgten, war Doping in Spanien noch nicht strafrechtlich verboten. Erst ein Jahr später - als Reaktion auf die durch die Ermittlungen sichtbar gemachte Dimension des Sportbetrugs - verabschiedete das Parlament ein Dopinggesetz.

Radprofis werden daher nicht als Angeklagte, sondern als Zeugen in den Gerichtssaal gerufen. Knapp zwei Dutzend von ihnen sind dies, darunter der Deutsche Jörg Jaksche, der Doping zugegeben hat, und Mehrfach-Toursieger Alberto Contador, der das weiterhin abstreitet. Sportler anderer Sportarten werden nicht darunter sein. Zwar hatte es immer Spekulationen über Fußballer und Leichtathleten, Schwimmer und Tennisstars unter den Kunden von Fuentes gegeben. Von bis zu 200 Klienten war die Rede. Doch nur 58 Radprofis wurden bekannt.

Enttäuschung über diese reduzierte Beweislage ist auch den Auskünften des WADA-Generalsekretärs David Howman zu entnehmen. »Da waren Athleten aus unterschiedlichen Sportarten involviert. Wir sind frustriert über die Begrenzung auf den Radsport. Aber wenigstens gibt es nun die Verhandlung«, sagte Howman.

Das ist zumindest ein Teilerfolg. Denn die Operación Puerto ist ohne Zweifel die weltweit wichtigste Dopingermittlung. Sie löste im Mai 2006 größere Schockwellen aus als die Veröffentlichung des Beweismaterials der US-Antidopingagentur USADA zur Begründung der Aberkennung der sieben Toursiege von Lance Armstrong im Oktober 2012. Mit ca. 7000 Seiten Beweismaterial ist die Operación Puerto auch wesentlich umfangreicher als die USADA-Untersuchung mit 1000 Seiten über das Dopinggeschäft bei US Postal.

Die Gruppe um Fuentes bediente einen großen Teil der Konkurrenz von Armstrong. Unter seinen knapp 60 namentlich identifizierten Kunden im Radsportzirkus waren unter anderem die mehrfachen Podiumseroberer bei der Tour de France, Jan Ullrich, Ivan Basso und Joseba Beloki. Fuentes' Spezialität waren Bluttransfusionen. Auf diese Technik stieß er in den 80er Jahren beim italienischen Dopingpapst Francesco Conconi. Fuentes verfeinerte diese Dopingpraxis noch mit den Blutgefriermaschinen der Firma Haemonetics. Im Jahre 2004 soll er sich die erste dieser Maschinen zugelegt haben, 2005 oder 2006 eine zweite. Fuentes dürfte damit eine Sonderstellung im Dopinggeschäft besessen haben.

Bis auf das ebenfalls unter Dopingverdacht geratene Wiener Labor Humanplasma besaß keiner der bislang bekannten Dopingringe dieses Equipment. Fuentes wurde damit zur Basisstation für weitere Dopingärzte. Das Einfrieren der Blutbeutel ermöglicht längere Haltbarkeitszyklen als die drei bis vier Wochen, nach deren Ablauf die Doper zuvor die Beutel erneuern mussten. Beim Kühlprozess war es den Ermittlungen der spanischen Guardia Civil zufolge aber zu Engpässen beim Frostschutzmittel Glycerin gekommen. Die hektischen Beschaffungsaktivitäten - unter anderem auch über den damals in Bad Sachsa niedergelassenen Mediziner Markus Choina - hatten nicht nur die Festnahmen im Mai 2006 mit ausgelöst. Probleme in der Kühlkette will die Anklage auch als Beleg für eine Gesundheitsgefährdung der Sportler nutzen. Stimmt das Gericht zu, drohen Eufemiano Fuentes zwei Jahre Gefängnis und ebenso langes Berufsverbot.


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