Hells Angels gewinnen die Oberhand

Innenausschuss des Abgeordnetenhauses debattierte über kriminelle Motorradbanden

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Polizei hält ein spezielles Aussteigerprogramm bei der Bekämpfung von kriminellen Rockerbanden für nicht notwendig. »Es handelt sich um keine ideologische Strömung, sondern individuell verlaufende kriminelle Karrieren«, sagte der zuständige Dezernatsleiter beim Landeskriminalamt, Uwe Wilhelms, gestern im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Statt eines öffentlichen Programmes setze die Polizei in Berlin deshalb bei Ermittlungen gegen die rund 1000 köpfige Rockerszene in Berlin auf individuelle Maßnahmen, die an die sogenannte Kleine Kronzeugenregelung angelehnt sind. Das heißt, dass man individuelle Aussteigermöglichkeiten auslotet, wenn ein Rocker bereit ist, bei der Aufklärung von schweren Straftaten behilflich zu sein.

Innenpolitiker der Koalition wie der SPD-Abgeordnete Tom Schreiber fordern seit längerem ein Aussteigerprogramm, um den strengen Schweigekodex der nach außen abgeschotteten sogenannten Outlaw Motorcycle Gangs (OMGs) wie der Hells Angels und der Bandidos in Berlin zu durchbrechen.

Derzeit scheint die gesamte Motorradrockerszene der Hauptstadt in Bewegung geraten zu sein: Nach mehrfachen Übertritten ganzer Chapter der Bandidos zu den verfeindeten Hells Angels gewinnen die »Höllenengel« in der Hauptstadt offenbar immer mehr die Oberhand in der Auseinandersetzung um illegale Geschäftsfelder wie den Drogen- und Waffenhandel sowie die Zwangsprostitution. »Wir haben eine eindeutige Machtverschiebung von den Bandidos zu den Hells Angels in Berlin«, berichtete Wilhelm. Medienberichte, wonach die Bandidos in Berlin gar keine Rolle mehr spielen, wollte der Kriminalpolizist indes nicht bestätigen. »Wir rechnen nicht damit, dass es zu einer vollständigen Übernahme kommt.« Aber: Die Fluktuation zwischen den Clubs sei groß und die Lage monatlich neu zu bewerten, so der LKA-Dezernatsleiter.

Für den Senat ist die Bekämpfung krimineller Motorradbanden, die sich selber außerhalb staatlicher Rechtsprechung stellen, auch in Zukunft weiter ein Schwerpunkt, für den beträchtliche Ermittlungskapazitäten aufgeboten werden. »Wir werden den Druck weiterhin aufrechterhalten«, sagte Innensenator Frank Henkel (CDU). Das im Mai 2012 erlassene Verbot des Charters »Berlin City« der Hells Angels bezeichnete Henkel gestern erneut als »Erfolg«. Und dies, obwohl die Razzia im Vorfeld offenbar aus dem Polizeiapparat verraten worden war.

Für die Opposition zählt die Bekämpfung der organisierten Kriminalität zwar auch zu den Schwerpunkten, aber der Koalition wirft sie beim Vorgehen gegen Rocker »kurzfristige Showeffekte« vor. Ein Aussteigerprogramm wie bei Neonazis macht bei Rockern keinen Sinn, sagte der Innenexperte der LINKEN, Udo Wolf. Die Grünen hinterfragten das Verbot des Hells Angels-Charters, deren Anführer offenbar weiter aktiv ist.

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