Kerry, Hagel und die Joystick-Killer

Der neue USA-Außenminister steht fest, der designierte Pentagon-Chef heute im Senat auf dem Prüfstand

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 4 Min.
USA-Außenministerin Hillary Clinton scheidet am Freitag aus dem Amt. Mit großer Mehrheit hat der Senat in Washington am Dienstag (Ortszeit) die Nominierung John Kerrys als Nachfolger bestätigt. Wenn heute Chuck Hagel in der Kongresskammer Rede und Antwort stehen muss, wird es für den republikanischen Ex-Senator heikler. Der Kandidat von Präsident Barack Obama für den Posten des Pentagon-Chefs stößt vor allem im konservativen Lager wegen israelkritischer Äußerungen auf Ablehnung.

Der Sprung ins Weiße Haus glückte ihm nicht, doch nun gelingt dem demokratischen Senator John Kerry aus Massachusetts im reifen Alter doch noch ein großer Karriereschritt. Mit geradezu überwältigender Mehrheit von 94 zu 3 Stimmen gab der Senat in Washington dem 70-Jährigen seinen Segen. Er wird der am Freitag aus dem Amt scheidenden Außenministerin Hillary Clinton als Chef des State Department folgen.

Kerry sei ein Politiker, der weltweit wohl so viele Präsidenten und Regierungschefs kenne wie kaum ein anderer, hatte Präsident Barack Obama für ihn geworben. Der Senator wäre am liebsten schon vor vier Jahren Außenminister geworden, musste sich aber mit dem Vorsitz im Auswärtigen Senatsausschuss zufriedengeben. Doch immer wieder schickte ihn der Präsident auf schwierige Missionen, Richtung Kabul ebenso wie 2011 nach Islamabad, nachdem der Al-Qaida-Chef Osama bin Laden liquidiert worden war. Es war Kerry, der in der zweiten Kongresskammer die notwendige Mehrheit für den neuen START-Vertrag zur atomaren Abrüstung mit Russland organisierte. Selbst vom politischen Gegner gibt es Lob. »Seine persönlichen Qualitäten passen sehr gut zur Position«, sagt der republikanische Präsidentschaftskandidat von 2008, John McCain, über Kerry.

Nur war der Diplomatensohn, der in der Nachkriegszeit Berlin mit dem Fahrrad erkundete und heute einer der reichsten Kongressabgeordneten ist, wieder nicht erste Wahl. Eigentlich wollte Obama Susan Rice als neue Außenministerin nominieren. Doch unter dem Druck der Republikaner, die die UN-Botschafterin wegen ihrer Reaktion auf den Terrorangriff gegen das US-Konsulat im libyschen Bengasi scharf kritisiert hatten, warf sie das Handtuch, bevor es mit den Anhörungen im Senat ernst wurde.

Dort könnte es heute auch für Chuck Hagel schwierig werden. Zuletzt u.a. Vorstand der Denkfabrik Atlantic Council, soll er nun als Pentagon-Chef die zweite Säule im neuen außen- und sicherheitspolitischen Führungsteam Obamas werden. Hagel ist Republikaner, doch kein Rumsfeld, wie Wolfgang Ischinger, einst deutscher USA-Botschafter, betont. Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz sieht den Ex-Senator als besonnenen, kenntnisreichen Vertreter einer moderaten republikanischen Politik - »aus europäischer Sicht deshalb eine sehr gute Wahl«. Selbst wenn das ein verklärtes Bild einer vermeintlichen politischen »Taube« sein mag, viele Parteifreunde Hagels sehen es ohnehin anders. Gilt Kerry als ausgewiesener Israel-Freund, stoßen sie sich an der kritischen Haltung des 66-Jährigen zum wichtigsten Partner im Nahen Osten. Dagegen sei Hagel, der schon mit seiner Kritik am Irak-Krieg Bushs für Ärger bei den Konservativen gesorgt hatte, viel zu lasch, wenn es um Iran geht. Zwar wies der alle Vorwürfe zurück und erklärte seine »totale Unterstützung« für Israel, doch Senator James Inhofe, ranghöchster Republikaner im Streitkräfteausschuss, hat für heute eine eingehende Befragung angekündigt. Obama braucht die Unterstützung von mindestens fünf Republikanern, um die für die Berufung erforderliche Mehrheit von 60 der 100 Senatoren zu erreichen.

Ein grundlegender Schwenk in der Außen- und Sicherheitspolitik der USA wäre mit dem Duo Kerry/Hagel kaum zu erwarten. »Die amerikanische Außenpolitik wird nicht allein durch Drohnen und die Verlegung von Soldaten definiert«, erklärte der künftige Außenminister zwar bei seiner Senatsbefragung. Außenpolitik sei »mehr als je zuvor auch Wirtschaftspolitik«. Washingtons Führungsrolle müsse sich ebenso bei »lebensbedrohlichen Fragen wie dem Klimawandel« oder in der Entwicklungspolitik zeigen. Doch wurden - bei allen Wehretatkürzungen, die sich zudem oft als Um- statt Abrüstung entpuppen - die Weichen auch unter Obama so gestellt, dass die globale militärische Dominanz der Supermacht nicht gefährdet ist.

Dazu gehört der massive Ausbau völkerrechtswidriger Drohnen-Einsätze, der nun auch den westafrikanischen Raum erreicht. Laut »New York Times« warten in den Arsenalen der Streitkräfte rund 7000 ferngesteuerte Flugroboter auf den Startbefehl, vor zehn Jahren waren es nur 50. Längst werden mehr Joystick-Killer ausgebildet als Piloten für Kampfflugzeuge. Im schuldengetränkten Haushalt der USA standen dafür 2012 rund fünf Milliarden Dollar zur Verfügung. Wie der Sender Fox News berichtete, habe sich während Obamas erster Amtszeit die Zahl der Drohnenangriffe allein in Pakistan auf fast 300 vervierfacht. Pentagon und CIA sollen dort rund 2000 Todesopfer zu verantworten haben. Da passt es ins Bild, dass mit John Brennan ein besonders fleißiger Drohnenkrieger künftig den Auslandsgeheimdienst führen soll. Er hatte im Vorjahr als erster Regierungsvertreter die Existenz des Geheimprogramms eingeräumt - und die Einsätze »rechtmäßig, ethisch und vernünftig« genannt.

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