Tatenloses Zusehen ist strafbar

Junge Frau muss wegen unterlassener Hilfeleistung Buße zahlen

  • Uta Falck
  • Lesedauer: 2 Min.
Eine 18-jährige Auszubildende musste sich gestern wegen unterlassener Hilfeleistung vor einem Strafrichter verantworten. Gegen eine Geldstrafe von 100 Euro wurde das Verfahren schließlich eingestellt. Das Geld soll an eine kirchliche Einrichtung gezahlt werden. Am 9. Januar ging Sinah Sch. mit ihrem Hund Timmy, einem weißen Westhighland-Terrier, in Kaulsdorf spazieren. In der Lion-Feuchtwanger-Straße begegnete sie zwei Jungen im Alter von 12 und 13 Jahren. Ron und Patrick machten sich über den Hund lustig, bezeichneten ihn als »Trethupe«. Sinah fühlte sich zutiefst beleidigt und klingelte ihren Freund aus der Nachbarwohnung. Andrej O. rannte auf die Straße und fiel über die beiden Jungen her. Seine langhaarige, blonde Freundin stachelte ihn an: »Hau ihnen ein paar aufs Maul!« Das ließ sich der Schläger nicht zweimal sagen und verprügelte die Schuljungen mit seinem Schlagring. Mit seinen Springer- stiefeln trat er die Jungen in Rücken und Schienbeine. Als einer der beiden Jungs per Handy die Polizei anrufen wollte, versuchte O., ihm das Handy wegzunehmen. Sinah Sch. beobachtete alles, ohne einzugreifen, sie soll sogar gelächelt haben. Während der Prügler bereits im Mai zu zweiwöchigem Arrest, 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit und einem Schmerzensgeld von je 120 Euro pro Opfer verurteilt wurde, konnte sich Richterin Tannhäuser gestern nicht zu einer harten Verurteilung der jungen Frau durchringen. Sie hätte in der Verhandlung, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, einen vernünftigen Eindruck gemacht und habe vorgetragen, die Jungen hätten sie zuvor massiv beleidigt, ließ die Richterin über Pressesprecher Michael Grunwald mitteilen. Sie habe das Verfahren wegen geringer Schuld eingestellt. Trotz des milden Urteils fühlte sich Sinah ungerecht behandelt. Doch das Gesetz sagt eindeutig: Tatenloses Zusehen bei Gewalt ist strafbar.

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