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Kontrollobjekt Müllkippe

Deponie Ihlenberg hat wieder einen Beirat

  • Dieter Hanisch, Selmsdorf
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Mülldeponie Ihlenberg in Mecklenburg-Vorpommern sorgt seit Jahren immer wieder für Negativschlagzeilen. Dennoch tagte der Deponiebeirat, als Gegengewicht zum Betreiber gedacht, drei Jahre lang nicht. In dieser Woche endlich konstituierte sich das Gremium neu.

Wer es freundlich meint, spricht von der Sondermülldeponie, wer ihr nicht wohl gesonnen ist, nennt sie einfach Giftkippe: Der inzwischen jahrzehntelange Streit um die Abfallbeseitigung im nordwestmecklenburgischen Selmsdorf nahe Lübeck bleibt ein Aufregerthema. Das vor allem deshalb, weil diejenigen, die die Entsorgung verantworten und betreiben, sich quasi selbst überwachen und es mit der Transparenz nicht so genau nehmen. Der Öffentlichkeit und insbesondere Kritikern werden Daten und Informationen vorenthalten.

Abfall aus Atomanlage

Mit der 1979 in Betrieb genommenen Deponie Schönberg, die heute Ihlenberg heißt, möchte das Land Mecklenburg-Vorpommern noch möglichst lange Geld verdienen, auch wenn die Kapazität inzwischen an ihre Grenzen stößt. Dafür soll die Deponiefläche erweitert werden, wogegen der Naturschutzbund (NABU) klagt. Die Grünen fordern eine Stilllegung bis spätestens 2016.

Nach Ansicht der Gegner ist die Deponie ein großer Giftcocktail. Dass die Ängste der Bevölkerung nicht herbeigeredet werden, unterstreicht eine Studie des Epidemiologen Wolfgang Hoffmann von der Universität Greifswald aus dem Jahr 2008, die ein erhöhtes Erkrankungsrisiko bei den Beschäftigten auf der Deponie festgestellt hat - insbesondere bei Krebsleiden. Bis heute sind zudem nicht alle Befürchtungen ausgeräumt, dass auch das Grundwasser gefährdet wird.

Es hat bei der Einrichtung und kontinuierlichen Ausdehnung der Mülldeponie niemals eine Umweltverträglichkeitsprüfung heutigen Standards gegeben, geschweige denn ein Planfeststellungsverfahren. Und doch wird den früheren Verlautbarungen vertraut, dass die Deponie sicher sei. Inzwischen gibt es auch wieder Streit über Müll aus der abgewickelten Atomanlage Lubmin, der auf der Ihlenberg-Kippe gelandet ist. Fotos zeigen nach Angaben der Grünen, wie entsprechende Fässer einfach breitgefahren wurden. Deponiechef Bernd Krüger deklarierte den fraglichen Müll dagegen als Bauschutt, der so eine geringe Strahlung habe, dass er nicht mehr unter das Atomrecht, sondern unter das Abfallrecht falle. Vor etwas mehr als einem Jahr geriet die Deponie zusätzlich in die Schlagzeilen, weil dort niedersächsischer Asbestmüll angeliefert werden sollte, was nach einem Proteststurm von Anwohnern allerdings verhindert werden konnte.

Anfang dieser Woche tagte der Deponiebeirat erstmals nach rund drei Jahren wieder. In dem Gremium saßen bislang Vertreter von Bürgerinitiativen, Umweltverbänden, des Wirtschaftsministeriums und Wissenschaftler. Diese personelle Zusammenstellung wurde ursprünglich als ein überwachendes Gremium und Gegenwicht zum Betreiber angesehen. Doch es hatte noch nie wirklich weitgreifende Befugnisse. Auf die Frage, warum das Gremium so lange nicht mehr zusammengerufen wurden sei, argumentierte das Wirtschaftsministerium, mit der jüngsten Landtagswahl habe der alte Beirat sein Existenzrecht verwirkt.

Und Schleswig-Holstein?

Nun hat es eine neue konstituierende Sitzung gegeben. Die Treffen sollen nicht presseöffentlich sein und ohne schleswig-holsteinische Vertreter stattfinden, lautete die Vorgabe aus dem Schweriner Ministerium. Für den BUND ist das nicht nachzuvollziehen, da die Deponieproblematik unter anderem auch die Trinkwasserversorgung im angrenzenden Schleswig-Holstein tangiert.

Umweltschützer und Deponieleitung streiten unterdessen weiter über die Korrektheit von Messpunkten für eine Grundwasserüberwachung. Außerdem kritisiert der BUND, dass entgegen einer im Jahr 2009 gemachten Ankündigung keine kontinuierlichen gesundheitlichen Folgeuntersuchungen beim Deponiepersonal stattgefunden haben. Das soll nun - dies ist ein Resultat der Beiratssitzung - zumindest ansatzweise durch das Landesgesundheitsamt in Form einer toxikologischen Arbeitsplatzuntersuchung passieren.

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