In Eintracht

Fußball-Fans und linke Demonstrierende kämpfen gemeinsam für die Kennzeichnung von Polizisten

  • Elke Steven
  • Lesedauer: 3 Min.
Elke Steven verteidigt seit 18 Jahren mit dem Komitee für Grundrechte und Demokratie die Versammlungs- und Meinungsfreiheit.
Elke Steven verteidigt seit 18 Jahren mit dem Komitee für Grundrechte und Demokratie die Versammlungs- und Meinungsfreiheit.

Fußball-Fans und linke Demonstrierende haben scheinbar nichts miteinander zu tun – auch wenn es unter Linken selbstverständlich Anhänger von Fußballvereinen gibt. Die »Krawalle«, für die »die« Fußballfans verschrien sind, scheinen mit den »Gewalttätigkeiten« bei Demonstrationen nichts zu tun zu haben. In München protestierten die Initiative »Für eine transparente/bürgerfreundliche Polizei« und die Fanszenen der Fußballvereine SpVgg Fürth und des FC Bayern am 19. Januar jedoch gemeinsam für eine »individuelle Kennzeichnung von Polizeibeamten/-innen«.

Im Februar 2010 hatten hochgerüstete und unidentifizierbare Polizeibeamte Schlagstöcke und Pfefferspray gegen die Fürther Fans eingesetzt – kein seltenes Ereignis rund um Fußballspiele und Demonstrationen in der ganzen Republik. Nicht zuletzt die fehlende Kennzeichnung von Polizeibeamten machen Anzeigen fast unmöglich. Ein satirisches Fußballspiel mit gleich gekleideten und maskierten Spielern veranschaulichte auf der Kundgebung, wie schwierig Fouls dann von Schiedsrichter und Kommentator beurteilt und beschrieben werden können.

Regierung und Polizei stellen ganze Gruppen von Fußball-Fans wie auch von linken Demonstrierenden unter Verdacht. Ihre Daten werden aufgrund von Verdächtigungen, nicht aufgrund von Ermittlungen oder Verurteilungen wegen Straftaten, in eigenen Extremismus- und Gewalttäter-Dateien gesammelt. Bei Fußballfans reicht eine Personalienfeststellung am Rande einer fußballbezogenen Auseinandersetzung. Eingriffe in Grundrechte werden legitimiert, um Gewalttaten von Fußball-Hooligans zu verhindern. Angewandt werden die rechtlichen Möglichkeiten dann auch gegen (potentiell) Demonstrierende. Die einmal unter Generalverdacht Gestellten bekommen den Eindruck, vogelfrei zu sein.

2006 wurden während der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 9000 Personen fest- oder in Gewahrsam genommen. Mehr als die Hälfte dieser Personen wurde »gefahrenabwehrend« ihrer Freiheit beraubt. Ihnen wurden keine Straftaten vorgeworfen, sondern deren zukünftige Möglichkeit wurde von der Polizei erwogen. Immer wieder gibt es Berichte, dass die Polizei, die vorgeschickt wird, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen, selbst jene Gewaltakte provoziert, die die negative Berichterstattung produzieren und das polizeiliche Vorgehen scheinbar legitimieren.

Im jeweiligen Alltag erfahren die einmal stigmatisierten Gruppen häufig die eskalierende Gewalt von Polizeieinsätzen. Nur selten gelingt es, deren Widerrechtlichkeit nachzuweisen. Polizeibeamte decken sich gegenseitig, es gibt kaum Chancen, die vermummten Beamten zu erkennen. Bei Klagen müssen die Betroffenen zudem mit Gegenklagen durch die Polizei rechnen, der Vorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ist leicht erhoben. Bürgerrechtsorganisationen fordern schon seit Jahrzehnten eine Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten. Amnesty International macht seit 2011 eine Kampagne zur Kennzeichnungspflicht. Im Land Berlin wurde die Verpflichtung zum Tragen eines Namens- bzw. Dienstnummernschildes nach Beschaffung und Ausstattung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab dem 1.9.2011 in Kraft gesetzt. Belege, dass Polizeibeamte das Gesetz ignorieren und unidentifizierbar bleiben, gibt es zuhauf.

Es gibt auch die Fußball-Hooligans, die Gewalt ausüben, es gibt unter Fußballfans Rassisten - aber nicht nur unter denen -, die unerträglich provozieren und die Menschenrechte anderer verletzen. Straftaten sind konkret zu verfolgen, ganze Gruppen dürfen aber nicht unter Verdacht gestellt werden. Das Gespräch und die Zusammenarbeit mit Fanorganisationen ist allemal besser geeignet, Probleme zu lösen.

Bewegungsaktivisten schreiben jeden Dienstag im »nd«-Bewegungsblog über Debatten und Aktionen außerparlamentarischer Bewegungen. Kommende Woche folgt ein Beitrag von Markus Mohr, der immer mal wieder als Alt-Autonomer betrachtet wird, sich aber selbst als junger Kommunist versteht.

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