Wasser marsch für weiteren Flussausbau

Bund verkündet auf Elbekonferenz faktisches Ende des Baustopps

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Eigentlich sollte am Dienstag in der sachsen-anhaltinischen Hauptstadt Magdeburg ein Konzept beschlossen werden, wie Verkehr und Ökologie an der Elbe besser zu vereinen sind. Tatsächlich verkündete der Bund aber das Ende eines elfjährigen Baustopps am Fluss.

Die Absicht ist eigentlich ehrenwert: An der Elbe sollen die »umweltverträgliche verkehrliche Nutzung« und der Erhalt eines »wertvollen Naturraums« besser in Einklang gebracht werden. So steht es im Entwurf eines Gesamtkonzepts für den Fluss, der am Dienstag auf einer Konferenz zur Zukunft der Elbe in Magdeburg vorgestellt wurde. Jahrelang gab es Streit, ob die Elbe vor allem dem Gütertransport dienen soll oder ob sie als einer der letzten frei fließenden Flüsse Europas geschützt und touristisch genutzt werden soll. Die Verfasser des Papiers, darunter die Bundesministerien für Verkehr und Umwelt, sind »überzeugt«, dass die Konflikte zu lösen sind.

Dumm nur, dass der hehre Anspruch torpediert wurde, noch bevor das Konzept offiziell verteilt war. Die Elbe müsse »so ertüchtigt werden, dass sie mehr Verkehr aufnehmen kann«, sagte Enak Ferlemann, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, am Rande der Veranstaltung. Zwar sei ein Bau von Staustufen nicht erforderlich. Buhnen aber müssten verlängert und erhöht werden, wozu auch Planfeststellungsverfahren notwendig seien. Damit, sagte Iris Brunar vom Umweltverband BUND, sei »der Ausbaustopp von 2002 faktisch beendet«. Das Papier, ergänzte ihr Kollege Paul Ernst Dörfler vom BUND-Elbeprojekt, diene offenbar nur der »Verschleierung« der Wiederaufnahme der Bauarbeiten.

Die Elbe

Die Elbe, die von der Quelle im tschechischen Riesengebirge bis zur Mündung in die Nordsee 1094 Kilometer lang ist, hat auf ihrem deutschen Abschnitt für die Schifffahrt kaum noch Bedeutung. Wurden im Jahr 1913 noch 18 Millionen Tonnen Fracht transportiert, sind es heute nur noch 800 000 Tonnen. Das entspricht nur 0,5 Prozent der in Deutschland auf Binnenschiffen transportierten Fracht.

In den letzten 14 Jahren halbierte sich das Aufkommen, obwohl jährlich 40 Millionen Euro für Ausbau und Unterhalt der Wasserstraße ausgegeben werden. Der Grund ist schlicht: Es fehlt an Wasser. Der Klimawandel sorgt für geringere Niederschlagsmengen und lange Trockenperioden.

In Tschechien ist der Fluss bereits seit den 1930er Jahren durch rund 30 Staustufen angestaut, weitere sollen folgen, etwa bei Decin. In der Bundesrepublik fließt die Elbe auf rund 600 Kilometern frei - aber eben auch flach. Im Abschnitt zwischen Tschechien und Magdeburg wurde allein im Jahr 2012 an 140 Tagen die angepeilte Fahrrinnentiefe von 1,60 Meter verfehlt.

 

Die waren bis 2002 durchgeführt worden mit dem Ziel, die Elbe ganzjährig für Binnenschiffe befahrbar zu machen. Ufer wurden mit Schotter befestigt, Buhnen so gesichert, dass Wasser in die Fahrrinne strömte, die zudem ausgebaggert wurde.

Dennoch ging das Frachtvolumen stets weiter zurück: Derzeit werden bei Magdeburg 780 000 Tonnen im Jahr transportiert, bei Dresden nur 380 000 Tonnen. Umweltschützer kritisieren, die Baumaßnahmen dienten im Kern nur der Arbeitsbeschaffung für Bundesbehörden wie die Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD) Ost.

Dann kamen das Elbehochwasser im Jahr 2002 und mit ihm starke Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Ausbaus, für den ein Moratorium verkündet wurde. Die WSD gibt sich geläutert: »Wir sind nachdenklich geworden«, sagte Präsident Thomas Menzel, der in Magdeburg gar von einem »Paradigmenwechsel« sprach: Ökologie und Durchlässigkeit des Stroms seien heute wichtiger als der Flussausbau.

An einem Strang zu ziehen scheinen Wasserbauer und Umweltschützer aber nur an manchen Abschnitten des Flusses - dort, wo sich der Strom in den Untergrund eingräbt. Um bis zu 1,50 Meter liegt die Sohle teilweise unter dem Niveau von 1850. Das hat Folgen für Auenwälder, die austrocknen, aber auch für Brücken und Kaimauern, die unterspült werden. Flussschützer mahnen seit Jahren; nun sollen Taten folgen: Für ein 17 Kilometer langes Pilotprojekt bei Klöden im südlichen Sachsen-Anhalt wird sich der Bund um die nötigen 25 Millionen Euro kümmern, kündigte Ferlemann an.

Anderswo aber sollen genau die technischen Bauwerke ertüchtigt werden, von denen auch Experten einräumen, dass sie maßgeblich für die Erosion verantwortlich sind. So will der Bund den niedersächsischen Abschnitt zwischen Dömitz und Hitzacker ertüchtigt wissen, um künftig Schiffe mit drei Lagen Containern fahren zu lassen. Nur so, sagt Ferlemann, sei das Ziel zu erreichen, dass künftig 5 statt 1,5 Prozent der im Hafen Hamburg anlandenden Fracht auf dem Wasser weiterbefördert werden könne.

Umweltschützer sind empört, und auch das Land Niedersachsen stellt sich quer. Die dortige neue rot-grüne Landesregierung wünscht nur den Ausbau des Elbe-Seitenkanals; der Landtag hat dies einstimmig beschlossen. Um eine entsprechende Passage im Eckpunktepapier wurde deshalb gestern bis zuletzt gerungen. Für den BUND-Experten Paul Ernst Dörfler ist deshalb klar, dass der Kampf um die Elbe mit dem Papier nicht beigelegt ist: »Er wird sich wieder verschärfen.«

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