Steinbrück »will gewinnen«, kann aber nicht

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 5 Min.

Peer Steinbrück „will gewinnen“, so hat er es am Wochenende noch einmal betont - und etwas anderes würde man von einem Kanzlerkandidaten sicher auch nicht erwarten. Bleibt die Frage, ob der Sozialdemokrat auch das Zeug dazu hat. „Steinbrück mit persönlichem Tiefstwert“, meldete dieser Tage die Forschungsgruppe Wahlen, auch bei Infratest lag der frühere Bundesfinanzminister in einer März-Umfrage weit hinter der Amtsinhaberin Angela Merkel.

Nun ist verschiedentlich bereits darauf hingewiesen worden (etwa hier), dass mit Demoskopie auch Politik gemacht wird. Und überhaupt wird man Umfragen zur Kanzlerpräferenz mit Zurückhaltung lesen, schließlich bestimmen die Wähler hierzulande nicht den Regierungschef, sondern kreuzen Parteien an. Eine Orientierung geben die Zahlen aber gleichwohl. Nicht zuletzt, wenn man sie mit den Ergebnissen früherer Umfragen vergleicht.

Im Februar meinten weniger Menschen (42 Prozent), Steinbrück sei ein Grund, die SPD zu wählen, als der Auffassung waren, der Sozialdemokrat sei im Gegenteil ein Grund, die Partei nicht zu wählen (45 Prozent). Der Kanzlerkandidat der SPD hat offenkundig ein Imageproblem - oder man kann es auch so formulieren: die Wähler sehen in ihm einen Politiker, von dem sie nicht so gern regiert werden wollen. Äußerungen zum Kanzlergehalt, die Millionenhonorare für seine Reden unter anderem vor Banken und Wirtschaftskanzleien, fehlender sozialdemokratischer Stallgeruch: Ist Steinbrück der richtige Kanzlerkandidat für die SPD?

Nein, sagt eine klare Mehrheit (55 Prozent) im Politbarometer vom März, nur 31 Prozent halten den 66-Jährigen für die richtige „Wahl“. Und im Lager von Rot-Grün? Unter den SPD-Anhängern sind 54 Prozent der Auffassung, der Mann ist der richtige Kanzlerkandidat, unter denen der Grünen nur 32 Prozent. Man wird die Zahlen immer auch im Vergleich zu den Beliebtheitswerten der Kanzlerin sehen müssen, die in beinahe allen Eigenschaften einen Vorsprung hat: Merkel galt den Deutschen in einer Infratest-Umfrage im Januar als glaubwürdiger, sympathischer, führungsstärker und als eine Spitzenkandidatin mit besserem Rückhalt in der eigenen Partei. Sogar wirtschaftspolitisch lag die CDU-Vorsitzende knapp vorn. Nur in der Frage, wer sich stärker für soziale Gerechtigkeit einsetze, bekam der Sozialdemokrat knapp bessere Werte.

Da hilft es dem SPD-Kandidaten auch wenig, dass er für seine pointierte - oder soll man sagen: populistische? - Ansprache durchaus Zustimmung erhält. 82 Prozent sagten, sie fänden „es gut, wenn jemand wie Steinbrück Klartext redet und kein Blatt vor den Bund nimmt“. 45 Prozent meinten im Januar aber auch, Steinbrück werde der SPD im Wahlkampf mehr schaden als nützen; ebenfalls 45 Prozent glaubten das nicht. Fast die Hälfte aller Befragten, 49 Prozent, sind sogar der Meinung, die Sozialdemokraten sollten sich nach einem anderen Kanzlerkandidaten umschauen.

Das wird die SPD kaum tun, schon mangels anderer, ihr geeignet erscheinender Politiker. Und so rächt sich nun womöglich, dass die Sozialdemokraten früheren Prognosen der Demoskopen Glauben schenkten - die sich inzwischen als wenig belastbar erweisen. „Steinbrück ist sicher der gefährlichste Kandidat, weil er die Wähler in der bürgerlichen Mitte ansprechen kann“, hatte zum Beispiel der Politologe Gero Neugebauer noch im September 2012 erklärt. „Er kann am besten im Lager der Unions-Wähler wildern“, meinte damals auch der Politikwissenschaftler Gerd Langguth. Skeptischer war zum Zeitpunkt der Entscheidung der K-Frage Emnid-Geschäftsführer Klaus-Peter Schöppner: „Steinbrück gilt eigentlich nicht als Sozialdemokrat und mobilisiert sicher nicht die SPD-Linke.“

Nun sind die Beliebtheitswerte der K-Kandidaten nicht dasselbe wie die Wahlchancen der jeweiligen Parteien. Ein Blick zurück zeigt aber, dass ein so großer Rückstand in den Umfragen, wie Steinbrück ihn derzeit gegenüber Merkel hat, nicht ohne Auswirkung auf die Werte der SPD bleiben kann.

1998 zum Beispiel lag Gerhard Schröder im gesamten Jahr vor der Bundestagswahl klar vor Helmut Kohl. Auf die - zugegeben: demokratiepolitisch kritikwürdige Frage - für wen man sich entscheiden würde, wenn der Kanzler direkt zu wählen wäre (was er ja nicht ist), hatte der SPD-Mann damals auch kurz vor der Wahl, als der Vorsprung etwas kleiner wurde, deutlich die Nase vorn. Zwischenzeitlich lag Schröder mehr als 40 Prozent vor dem CDU-Regierungschef.

Schröders Beliebtheit ging einher mit einer ausgewachsenen Wechselstimmung - die es 2013 nicht gibt. Dass die persönlichen Beliebtheitswerte der Spitzenkandidaten nicht gleichbedeutend sind mit den Erfolgsaussichten ihrer jeweiligen Parteien zeigte sich zum Beispiel 2005. Da lag Schröder zwar auch fast die ganze Zeit vor Merkel, aber erstens war der Abstand nicht so groß wie 1998. Und zweitens zeigte sich am Wahlabend, dass die Union trotzdem knapp gewinnen konnte, auch wenn ihre Kanzlerkandidatin in den Umfragen gegenüber dem SPD-Kontrahenten zurücklag.

Wird Steinbrück es also noch schaffen? Einmal abgesehen von den politischen Implikationen einer SPD-geführten Regierung unter dem früheren Finanzminister, sieht es zumindest derzeit nicht danach aus. Die SPD hängt wie festgenagelt unter der 30-Prozent-Marke, da kann ihr Kanzlerkandidat noch so oft behaupten: „2013 wird unser Jahr.“ Und da ist wieder die Frage nach dem „wir“ gestellt - hat die SPD den richtigen Kandidaten?

Vor einigen Wochen antwortete Forsa-Chef Manfred Güllner in einem Radiointerview, „in den nächsten acht Monaten bis zur Bundestagswahl können natürlich noch Ereignisse eintreten, die die Meinungsbildungsprozesse der Menschen und Entscheidungsprozesse entscheidend beeinflussen. Aber wir wissen ja auch aus der Vergangenheit: Wenn ein Bild sich mal so verfestigt hat und im Falle Steinbrück negativ verfestigt hat, dann ist es sehr, sehr schwer, davon wieder herunterzukommen.“

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