Gab es zweiten V-Mann mit NSU-Bezug beim LKA?

Grüne spekuliert in Innenausschuss über weitere Polizeispitzel, Behörden betonen Geheimschutz

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Mann, der die Aufklärung im Berliner NSU-Skandal mit größtmöglichem Engagement betreiben wollte, ist an diesem Montag gar nicht anwesend. Weil er als Beauftragter für den Bundesrat das zukünftige EU-Mitgliedsland Kroatien bereisen soll, blieb Innensenator Frank Henkel (CDU) gestern der Sitzung des Innenausschusses des Abgeordnetenhauses fern. Die Opposition ärgert dies maßlos. »Wir haben gemeinsam die Verabredung getroffen, dass der Innensenator am 18. März anwesend ist, um das Thema ›Nationalsozialistischer Untergrund‹ zu besprechen«, kritisiert der Innenexperte der Linkspartei, Udo Wolf. Auch der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux moniert, die »Abwesenheit Henkels« spreche für sich. Aus Sicht der Großen Koalition weist der Vorsitzende des Innenausschusses jedoch ein absichtliches Fehlen Henkels zurück. »Als Bundesbeauftragter kann er sich nicht vertreten lassen«, erklärt Peter Trapp (CDU).

Doch nicht nur die Abwesenheit des Senators und dessen Vertretung durch Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) erregt die Gemüter der Oppositionsfraktionen, sondern auch die Informationspolitik von Rot-Schwarz in Sachen Berliner Affäre mit Bezug zum »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU). Denn in der vergangenen Woche wurden der Opposition insgesamt 18 neue Ordner im Geheimschutzraum zugänglich gemacht. Doch welche Blätter davon in der Öffentlichkeit diskutiert oder welche aufgrund der Klassifikation allenfalls im Geheimschutzraum besprochen werden dürfen, darüber hat offenbar kaum noch jemand einen Überblick. »Die Innenverwaltung muss klarstellen, was geheim ist und was nicht«, betont Udo Wolf. In der jetzigen Form behindere der Geheimschutz die »Aufklärung der Berliner NSU-Affäre maßgeblich«, weil de facto eine »Auskunftsverweigerung« stattfinde.

Wie schwierig die Unterscheidung zwischen geheim und öffentlich fällt, demonstriert gestern auch Polizeipräsident Klaus Kandt. In einem Wortbeitrag erklärt er kurzerhand die Aufhebung des Geheimschutzes für die Vertrauensperson »VP 562« des Landeskriminalamtes. Also jenes Thomas S., der über zehn Jahre als Spitzel der Polizei geführt wurde und der 2002 einen Hinweis auf das mordende NSU-Trio um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe geliefert hat. Kandt erklärt nun gegenüber den verdutzten Abgeordneten, weil der V-Mann selbst Straftäter wurde, sei der Vertrauensschutz entfallen - Minuten später korrigiert sich der Polizeipräsident nach einem Hinweis seines Staatsschutzleiters selbst, es habe sich um ein Missverständnis gehandelt, der Vertrauensschutz zur »VP 562« bestehe weiter.

Hat sich der Polizeichef möglicherweise in der Person vertan? Dass es neben Thomas S. noch mindestens eine weitere V-Person aus Sachsen mit NSU-Bezug beim Berliner Landeskriminalamt gegeben haben könnte, wird seit längerem in den Medien gemutmaßt. Um Klarheit in die Sache zu bringen, versucht es die Grünen-Abgeordnete Clara Herrmann nach einer Stunde mit einer provozierenden Frage zu fünf Namen: »War Martin Scholz Vertrauensperson des Berliner LKA, ja oder nein? Waren es Jörg Winter, Michael Heintze, Sandro Wagner oder Tino Schuster?«

Innenstaatssekretär Krömer will sich mit Verweis auf die zugesicherte Vertraulichkeit und die Fürsorgepflicht für V-Personen dazu nicht äußern - jedenfalls nicht im öffentlichen Teil der Sitzung. Polizeipräsident Kandt erklärt immerhin noch: »Was die anderen Vertrauenspersonen angeht, gab es keinen NSU-Bezug.«

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