Verbürgt und verschaukelt

Sachsen muss für das Gebaren von Landesbank-Managern immer mehr zahlen - auch wenn diese verurteilt werden sollten

  • Harald Lachmann, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.
Gut fünf Jahre, nachdem die Landesbank Sachsen fast in die Pleite schlitterte und per Notverkauf von der Stuttgarter LBBW übernommen wurde, kommen die damaligen Spekulationsgeschäfte den ostdeutschen Freistaat immer teurer zu stehen. Jetzt begann ein weiterer Prozess gegen frühere Landesbanker.

Nun rollt die zweite Klagewelle los. Seit Mitte März müssen sich vier weitere Manager der einstigen Landesbank Sachsen vor dem Landgericht Leipzig für die Beinahe-Pleite des Institutes im Jahre 2007 verantworten. Zu ihnen gehören mit Michael Weiss und Hans-Jürgen Klumpp auch zwei Ex-Vorstandschefs. Die Staatsanwaltschaft Leipzig wirft ihnen in einem Schadenersatzprozess Untreue im besonders schweren Fall sowie unrichtige Darstellung vor.

Unbekannte Größen

Das Quartett betrieb 2006 und 2007 über Zweckgesellschaften in Irland und den USA außerbilanzliche Finanzgeschäfte von hohem Risiko, die allein vom Umfang her in keinem Verhältnis zur Kapitalausstattung der kleinsten deutschen Landesbank standen. Damit hätten die Banker, so der Vorwurf, nicht nur den gesetzlichen Auftrag einer öffentlichen Bank verletzt, sondern de facto auch Garantien zugestimmt, die das Leipziger Geldhaus letztlich in seine irreparable Schieflage führten. Um dies zu vertuschen, wären überdies die Jahresabschlüsse 2005 und 2006 geschönt worden, heißt es in der Klageschrift.

Die Höhe der Geldforderungen ist noch unbekannt. Doch es dürfte sich, analog zum entstandenen Schaden, um neunstellige Beträge gehen. Das zeigt auch der erste Prozess in dieser Sache, der bereits 2011 eröffnet wurde. Darin verlangt die Ermittlungsbehörde allein von den beiden Ex-Vorständen Herbert Süß, Chefbanker bis zum bitteren Ende im Herbst 2007, und Stefan Leusder eine Entschädigung von gut 190 Millionen Euro. Leusder war für das Kapitalmarktgeschäft zuständig und damit auch für jene windigen Deals, die die Bank über ihre irische Tochter SachsenLB Europe sowie zwei Zweckgesellschaften mit Hypothekenmarktkrediten tätigte. Diese zwielichtigen Verbriefungsgeschäfte bescherten der ostdeutschen Landesbank mit Ausbruch der US-Immobilienkrise 2007 so schwere Verluste, dass nur ein Notverkauf an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) blieb.

Doch an die Stuttgarter ging seinerzeit nicht auch die volle Gewährträgerhaftung für Forderungen über, die jene Fehlspekulationen in der Folge noch verursachen würden. Damit bürgt der Freistaat Sachsen seither für mögliche Ausfälle bis zu einem Rahmen von 2,75 Milliarden Euro. Das sächsische Finanzministerium bildete hierfür einen Garantiefonds, für den Dresden jährlich eine halbe Milliarde Euro zurücklegt. Damit sollen notwendige Zahlungen nicht auf den aktuellen Etat zurückschlagen.

Bis zur Schmerzgrenze

Sachsens Finanzminister Georg Unland (CDU) begleicht aus dieser Sonderschatulle nunmehr alle Ansprüche, die die Verwalter der in Dublin ansässigen Sealink Funding Ltd. anmelden. In diese Gesellschaft waren 2008 sämtliche Zockerpapiere der SachsenLB ausgelagert worden. Ihr Gesamtwert betrug 17,3 Milliarden Euro. Es entstand damit im Grunde die erste »Bad Bank«.

Anfangs herrschte in Dresden noch die Hoffnung, es werde schon alles nicht so dick kommen. Doch inzwischen wich diese der Ernüchterung. Von Quartal zu Quartal stiegen gerade 2012 die eingeforderten Summen weiter. Mittlerweile liegen die sächsischen Garantieleistungen bei rund 500 Millionen Euro.

Bei Lichte gesehen, blutet Sachsen jedoch noch deutlich stärker. Denn seit Ende 2012 haftet das Land auch für Forderungen, die im Grunde noch gar nicht abgeschrieben sind. Bis vor das Oberlandesgericht Frankfurt am Main stritt man darüber mit der LBBW, wobei es nicht um Rechtmäßigkeit oder Höhe der Zahlungen ging. Uneins war man über die Begleichungstermine für implizite Verluste, wie sie entstehen, wenn Anleihen nicht mehr ausreichend durch Vermögen gedeckt sind, der Treuhänder die Schuldsummen jedoch nicht formal abschreibt. Also weigerte man sich in Dresden, schon vorab bereits für solche Verluste zu blechen.

Doch die Richter plädierten in zweiter Instanz für eine sofortige Tilgung. Damit musste Sachsen zu Jahresbeginn weitere 311 Millionen Euro der LBBW gutschreiben. In Dresden nennt man dies »vorgezogene Zahlungsverpflichtungen«, behandelt den Vorgang damit formal anders als die bisherigen Überweisungen. Da es für jene 311 Millionen Euro indessen keinen regulären Haushalttitel gibt, lenkte der Finanzminister die Summe aus Steuermehreinnahmen direkt in besagten Garantiefonds um.

Arge Verschnupfung bei der Opposition erzeugte dabei die Dreistigkeit des Ministers, trotz der immensen Summe weder den Landtag noch dessen Haushalt- und Finanzausschuss einzubinden. Dessen Mitglieder erfuhren davon aus der Zeitung. Ausschussvorsitzender Sebastian Scheel (LINKE) nennt dies »instinkt- und stillos«. Unland habe nur einen Monat nach den Etatberatungen demonstriert, »die von uns kritisierten übermäßigen Ermächtigungen bis zur Schmerzgrenze ausreizen« zu wollen.

Eine Milliarde Euro?

Antje Hermenau, Fraktionschefin von Bündnis 90/Grüne, sieht dies ebenso. Sie rechnet überdies damit, dass nach dem Frankfurter Richterspruch nun die Forderungen aus Stuttgart »direkter auf Sachsen durchschlagen«. Noch für 2013 erwartet sie das »Überschreiten der Eine-Milliarde-Euro-Schwelle«. Und ein Ende sei nicht absehbar.

Was die Prozesse gegen die Ex-Landesbanker betrifft, erklärten indessen deren Verteidiger aus Köln, Frankfurt und Düsseldorf, ihre Mandanten hätten unter erheblichem politischen Druck gestanden. Die Erwartung auf Gewinnausschüttungen sei halt sehr groß gewesen. In ihren Augen ist die ganze Anklage zum Scheitern verurteilt.

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