NSU-Prozess ohne türkische Medien?
nd schlägt Sharing-Modell vor
Berlin (nd-Reents). Die Vergabe der Presseplätze beim Mitte April beginnenden »NSU«-Prozess in München hat zu scharfer Kritik geführt. Unter den 50 Medien, die einen garantierten Platz im Gerichtssaal erhalten, ist kein türkisches oder griechisches Medium. Angesichts dessen, dass acht der zehn Opfer des NSU-Terrortrios türkischer Abstammung sind, sprach der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, von einem unglaublichen Vorgang. Er fragte, ob das Gericht »die türkische Öffentlichkeit aus dem Prozess ausschließen« wolle.
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland kritisierte die Platzvergabe als eine »sehr unglückliche Entscheidung«. Dies schade dem Vertrauen in die Aufarbeitung der Mordserie, sagte dessen Vorsitzender Aiman Mazyek gegenüber dpa. Das Oberlandesgericht München wies darauf hin, dass nur begrenzte Presseplätze verfügbar und diese nach Eingangsdatum der Anmeldungen vergeben worden seien.
NSU-Prozess nur im kleinen Kreis: Türkischer Botschafter soll sich anstellen
Das Münchner Oberlandesgericht, vor dem ab Mitte April gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe und weiter vier Beschuldigte Neonazis verhandelt werden soll, wird keinen Platz für den Botschafter der Türkei und den Menschenrechtsbeauftragten des türkischen Parlaments reservieren. Mehr
»neues deutschland« gehört zu den 50 Medien, die sich frühzeitig akkreditiert haben und einen Platz zur Berichterstattung garantiert bekamen. In einem Offenen Brief an die deutschen Medien hat nd-Chefredakteur Tom Strohschneider die jetzige Situation dennoch als »nachdenklich und bitter« bezeichnet. Unabhängig davon, ob das Gericht noch eine besser zufriedenstellende Lösung finden wird, schlägt Strohschneider Sharing-Modelle mit türkischen und griechischen Medien vor.
Diejenigen deutschen Medien, die einen garantierten Presseplatz erhalten, könnten türkische oder griechische Kollegen über ihren laut Gerichtsmitteilung nicht namensgebundenen, sondern »auf das jeweilige Medium ausgestellten Ausweis« an der Berichterstattung beteiligen. Das »nd« werde jedenfalls einen türkischen Kollegen zu einer mit dem eigenen Korrespondenten wechselnden Berichterstattung einladen. Strohschneider hofft, dass sowohl das Münchener Gericht diese Lösung akzeptiert wie auch, dass andere deutsche Medien diesem Beispiel folgen.
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