Hitler-Speed und Räuchermischung
SPD-Antrag zur Drogenprävention empört Experten
»Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint«, sagte Kurt Tucholsky einmal. Die Bundestagsfraktion der SPD führte sicher nichts Böses im Schilde, als sie ihren Antrag ausarbeitete. Die Genossen wollen den Konsum von Methamphetaminen durch Prävention eindämmen und neue synthetische Drogen, sogenannte Legal Highs, europaweit effizienter bekämpfen. Dabei berief sich die Fraktion auf eine Studie des Frankfurter Drogenexperten Bernd Werse. Dieser wiederum war schwer empört, als er hörte und las, wozu seine Forschungsergebnisse benutzt werden.
Und so kam Werse auch zur gestrigen Anhörung des Gesundheitsausschusses, bei der jener SPD-Antrag von Fachleuten diskutiert wurde. Ihm war die Empörung noch anzumerken, als er sich zu Nachfragen des LINKEN-Abgeordneten Frank Tempel äußerte: »Unsere Studie zu den Legal Highs hat nichts mit Crystal Meth zu tun«, so Werse. Dazu seien beide Drogen zu verschieden. Die SPD hatte aber beide in einen Topf geworfen. Bei Legal Highs handelt es sich nicht um eine bestimmte Substanz. Vielmehr verbergen sich hinter dieser Sammelbezeichnung so grundverschiedene Dinge wie Räuchermischungen, synthetische Stoffe oder Herbal Highs, die aus Pflanzenteilen und Chemie bestehen. Auch hinsichtlich ihrer Wirkung ähneln sie sich nicht. Die einen wirken beruhigend, andere aufputschend und viele auch gar nicht. Todesfälle seien bislang nicht bekannt, so Werse in seiner Stellungnahme.
Ganz anders verhält es sich mit Crystal Meth. Wer dieses Methamphetamin schnupft oder spritzt, der ist oft Tage lang wach. Viele geraten schnell in eine Abhängigkeit. Interessanterweise sind auch sächsische Neonazis in den Handel mit der in Tschechien produzierten Droge verwickelt. Etwa ein ehemaliger Stadtratskandidat der NPD aus Delitzsch. Die Parallelen liegen auf der Hand. Schließlich nennt man Crystal Meth auch »Hitler Speed«, denn unter dem Markennamen »Pervitin« diente es einst der Wehrmacht als Aufputschmittel und Angstlöser.
Somit sei aber auch klar, dass es hier zwei unterschiedliche Konsumentengruppen gehe, betonte Werse. Auf der einen Seite Kiffer und Psychonauten, auf der anderen extreme Partykonsumenten. Das von der SPD geforderte gemeinsame Präventionskonzept wäre kontraproduktiv, bestenfalls wirkungslos. Die von den Sozialdemokraten gewünschte »Schulsozialarbeit im Bereich Drogenprävention« lehnte Werse ab. Die Schüler hätten ohnehin »starke Vorbehalte gegen die Substanz«.
Lebhaft wurde es dann, als der US-amerikanische Legalisierungsguru Ethan Nadelman das Wort ergriff. Der ehemalige Dozent an der Eliteuniversität Princeton war auf Einladung der Grünen nach Berlin gekommen. Deren Antrag zur Entkriminalisierung des »Anbaus von Cannabis« wurde gestern ebenfalls diskutiert. Und so galt die Kritik Nadelmans wohl auch den Grünen, als er beklagte, dass man in dieser Anhörung so verschiedene Drogen wie Cannabis und Amphetamine gemeinsam behandele. Dafür gab es spontanen Applaus von der Zuschauertribüne, wo einige Legalisierungsbefürworter Platz genommen hatten. Die Ausschussvorsitzende Carola Reimann (SPD) musste die begeisterten Hanffreunde zur Ordnung rufen.
Der Antrag selbst wurde nicht nur von der Gewerkschaft der Polizei zurückgewiesen, sondern auch von Frank Tempel. Der ehemalige Kriminalbeamte kritisierte, dass die Grünen zwar den Erwerb und Anbau, nicht aber den Verkauf legalisieren wollen. Somit blieben die Konsumenten aber auf den Schwarzmarkt angewiesen, kritisierte Tempel. Eben dieser sollte aber durch eine Entkriminalisierung von Cannabis ausgetrocknet werden.
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