Bezirk blockiert Flüchtlingsheim

Fortbestand einer Unterkunft in Mitte bedroht: Stadtrat sieht Anwohner gestört

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Trotz fehlender Unterkünfte für Asylbewerber in Berlin droht im Bezirk Mitte 212 Asylsuchenden die Schließung ihres Heimes. Grund sind juristische Finessen, mit denen der dortige Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) der privaten Betreiberin eines Heimes das Leben zur Hölle macht.

Seit März wohnen 212 Asylbewerber in den hinteren Gebäuden eines ehemaligen Jugendhostels. In das Vorderhaus, in dem derzeit noch Bauarbeiter der benachbarten BND-Baustelle nächtigen, sollen ab Mitte Mai weitere rund 200 Asylbewerber ziehen. Der Platz wird dringend gebraucht, denn in Berlin steigt die Zahl der Asylbewerber. Und Wohnungen zu finden, wird wegen Mangel an preiswertem Wohnraum immer schwieriger.

Baustadtrat Carsten Spallek untersagte der privaten Betreiberin das Betreiben eines Asylheimes und forderte sie auf, es sofort zu schließen. Die Frau selbst, eine sozial engagierte Migrantin, ist so verunsichert, dass sie nicht mit der Presse sprechen will.

Begründung des Bauamtes: Das Gebäude stehe in einem allgemeinen Wohngebiet. Dort sei ein Asylheim nicht genehmigungsfähig. »Die Asylbewerber halten sich überwiegend ganztägig auf dem Grundstück oder im unmittelbaren Umfeld auf. Aufgrund der hohen Belegungsdichte ist die Privatsphäre der Bewohner im Gebäude sehr eingeschränkt. Insofern werden sich viele Bewohner im Hof oder vor dem Grundstück aufhalten. Hieraus resultiert eine nicht vertretbare massive Störung der umliegenden Wohnnutzung«, so die Antwort des Bauamtes auf eine Presseanfrage.

Beim Flüchtlingsrat ist man sprachlos, dass der Baustadtrat Asylsuchende lediglich als »Störpotenziale« für die Nachbarn ansieht. Sprecherin Martina Mauer: »Die geplante extrem dichte Belegung ist tatsächlich problematisch, jedoch nicht für die Nachbarn, sondern für die Flüchtlinge selbst. Es ist beschämend, wie der Baustadtrat sich gegen die Zuweisung von Flüchtlingen nach Mitte wehrt.« Statt dem Land Berlin bei der Suche nach geeigneten Standorten Steine in den Weg zu legen, sollte der Bezirk Mitte, so Mauer weiter, besser überlegen, »welche kleineren Objekte zur Unterbringung geeignet wären«. Alternativen hat Mitte allerdings nicht vorgeschlagen, räumt Spallek selbst ein.

Wie »nd« aus SPD-Kreisen erfuhr, sollen mehrere bezirkliche Baustadträte der CDU zudem eine weitere Taktik verfolgen, um Asylheime in ihren Bezirken zu verhindern. Sie sollen, so ein SPD-Politiker, die Brandschutzauflagen so hoch und damit teuer machen, dass es für Betreiber unattraktiv sein soll, ein Asylheim zu betreiben.

Die Grünen in Mitte haben in der Bezirksverordnetenversammlung beantragt, das umstrittene Haus in eine dauerhafte Asylbewerberunterkunft umzuwidmen. Von den LINKEN werden sie unterstützt. Deren Bezirksverordnete Elke Reuter hat sich mit der Betreiberin getroffen und sagt: »Die Frau ist so verunsichert, dass sie aus Angst vor einem Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang erwägt, den Vertrag mit dem Land zu kündigen und die Asylbewerber von sich aus vor die Tür zu setzen.« Sie fürchte ihren wirtschaftlichen Ruin. Denn auch das Jugendhostel genieße lediglich Bestandsschutz und sei nicht von neuem genehmigungsfähig, wenn der Betrieb einmal abgemeldet werde. Reuter sagt: »Die Leidtragenden des Streits sind die Asylbewerber selbst.« Wegen des Streites konnte die Heimbetreiberin keine Sozialarbeiter einstellen. Die Folge: Die meisten Kinder gehen noch nicht zur Schule. Erwachsenen erklärt niemand ihre notwendigen Behördengänge. Reuter fordert von der Senatsverwaltung für Soziales einen Runden Tisch mit allen Beteiligten. Doch der könnte am fehlenden Willen des Baustadtrates scheitern. Der wettert auf seiner Website gegen die Senatsverwaltung, die nutze im Bezirk Gebäude zur Unterbringung von Asylbewerbern ohne die planungsrechtliche Überprüfung: »Ich bin nicht gewillt, diese unzulässige Verfahrensweise hinzunehmen.«

Das ist nicht der erste Konflikt zwischen Carsten Spallek und seinem Parteifreund, Sozialstadtrat Mario Czaja, bei dem es um Flüchtlinge geht. Im vergangenen Spätherbst hatte das Bauamt das Protestcamp der Flüchtlinge am Brandenburger Tor untersagt. Den Protestlern wurden auf Veranlassung des Bauamtes Schlafsäcke und Isomatten weggenommen. Czaja schickte ihnen einen Kältebus.

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