Stolpersteine für Bäcker und Bankier

Potsdamer Voltaireschüler kümmerten sich um die Erinnerung an drei jüdische Naziopfer

Paul Wallich arbeitete als Bankier, interessierte sich für Philosophie, begeisterte sich fürs Segeln. Für die Nazis war er einfach nur Jude. Dabei trat bereits seine Mutter zum evangelischen Glauben über und auch Paul fühlte sich als Christ und als Deutscher. Er hielt sogar bewusst Abstand zu jüdischen Kreisen und suchte sich seine Frau extra nicht dort.

Doch für die Faschisten spielte das alles keine Rolle. Sie stuften ihn ein nach ihren berüchtigten Rassegesetzen. Sie verfolgten ihn und trieben ihn in den Tod. Der Versuch, noch auszuwandern, scheiterte. Verzweifelt stürzte sich Paul Wallich 1939 von der Kölner Hohenzollernbrücke in den Tod. Er lebte zuvor in der Potsdamer Villa Schöningen, die er von seinen Eltern geerbt hatte. Vor der Villa wurde gestern ein Stolperstein verlegt, um an das Naziopfer Paul Wallich zu erinnern, den Sohn des Bankiers Hermann Wallich, der 1870 zu den ersten Chefs der Deutschen Bank gezählt hatte.

Zwei weitere Stolpersteine verlegte Künstler Gunter Demnig vor der Ebräerstraße 4. Die Straße wurde 1934 von den Nazis in Kupferschmiedgasse umbenannt. Seit 1993 heißt sie wieder Ebräerstraße. Der jüdische Bäckermeister Julius Back und seine Frau Marta wohnten dort seit 1932. Auch sie wollten ausreisen - zu ihrem Sohn Kurt, dem die Flucht nach Bolivien geglückt war. Doch der südamerikanische Staat nahm die Eltern nicht auf. Sie wurden im Oktober 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert, wo Julius am 19. Dezember im Alter von 74 Jahren starb. Martha gelangte 1945 in Freiheit und lebte noch bis 1962.

Mädchen und Jungen der Potsdamer Voltaireschule haben diesen Schicksalen nachgespürt, unterstützt von Monika Nakath vom Landeshauptarchiv. Die Erinnerung wach halten sei »eine wichtige Aufgabe«, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). »Ich freue mich, dass es mit der Voltaireschule gelungen ist, jetzt ein weiteres Kapitel in der Geschichte aufzuschlagen, damit wir weitere Stolpersteine verlegen können.« In der Stadt wurden vorher bereits 22 Stolpersteine für Naziopfer in die Bürgersteige eingelassen.

Die Villa Schöningen hat eine wechselvolle Geschichte. 1843 nach Entwürfen des Architekten Ludwig Persius errichtet, geriet sie 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer ins bewachte Grenzgebiet, denn sie ist das letzte Haus vor der Glienicker Brücke, auf der während des Kalten Krieges spektakulär erwischte Agenten aus Ost und West ausgetauscht worden sind. Zu DDR-Zeiten befand sich in der Villa ein Kinderwochenheim.

2007 kaufte Mathias Döpfner, Vorstandschef der Axel Springer AG, das Gebäude. Er tat es gemeinsam mit Leonhard Fischer, dem Vorstandsvorsitzenden des Finanzinvestors RHJ International. Döpfner oder Fischer wollten nicht etwa dort wohnen. In der Villa werden mittlerweile Ausstellungen gezeigt. Im Zentrum der Dauerausstellung steht die Rolle der Glienicker Brücke während der deutschen Teilung. »In der Ausstellung ›Spione, Mauer, Kinderheim - an der Brücke zwischen den Welten‹« wird das Grauen totalitärer Regime spürbar«, heißt es in der Selbstdarstellung der Villa. Zur Eröffnung hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) davon gesprochen, dass sich in der Geschichte dieses Hauses »in besonderer Weise Traum und Trauma unserer einst geteilten und nun geeinten Nation« spiegeln. Am Sonntag berichteten Schüler der Voltaireschule nach der Verlegung der drei Stolpersteine in der Villa Schöningen über ihre Arbeit an dem Projekt.

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