Die Mischung macht's

Diskussion mit Stadtforschern

  • Malene Gürgen
  • Lesedauer: 2 Min.

Was macht die fortschreitende Spaltung der Gesellschaft mit unseren Städten? Mit dieser Frage hatte das Soziologieinstitut der TU gemeinsam mit der Architektur-Zeitschrift Bauwelt zur Diskussion geladen. Die Segregation, also die sozialräumliche Spaltung, werde zu einem wachsenden Problem in den Großstädten - so die einleitende These der »Bauwelt«-Redakteurin Brigitte Schultz. »Dabei geht es nicht um die vielbeschworenen Mythen von migrantischen Parallelwelten, sondern um viel realere Spaltungserscheinungen.«

Zwar gebe es in Deutschland und auch in Berlin noch relativ wenige »gated communities«, also geschlossene Wohnkomplexe für Reiche, so der Stuttgarter Stadtforscher Gerd Kuhn. Beispiele wie der Martashof in Prenzlauer Berg seien jedoch sehr problematisch, »weil sie vom Kiez profitieren, aber nichts zurück geben«. Schlimmer noch als einzelne Luxusbauten sei jedoch die Verdrängung in der Fläche. »Eine Mischung ist nur mit genügend bezahlbarem Wohnraum möglich«, stimmt ihm sein Kollege Tilman Harlander zu.

Stadtforscherin Joanna Kusiak aus Warschau berichtet, wie dortige »gated communities« vormals öffentlichen Raum faktisch privatisieren, so manche Straße sei jetzt einfach nicht mehr zugänglich. Sie warnt allerdings davor, dies nur als fernes Schreckensbeispiel zu sehen: »Die dahinterstehende Entwicklung gibt es auch in Berlin, in Warschau nimmt sie nur offensichtlichere Formen an.«

Viel Stoff für den Bau-Staatssekretär Ephraim Gothe, der an der anschließenden Podiumsdiskussion teilnimmt. Er will sich seinen Optimismus aber offenbar nicht nehmen lassen. »In Berlin«, sagt er, »geht es mit Riesenschritten voran«. Gerade erst habe man über einen Neubau gesprochen, in dem die Mieten auf der ersten Etage sechs Euro pro Quadratmeter, auf der zweiten sieben und auf der dritten acht Euro betragen sollen - einer Mischung stehe also nichts im Weg.

Tilman Harlander widerspricht mit deutlichen Worten: »In Berlin gibt es eine forcierte, über den Markt vermittelte Entmischung.« Auch aus dem Publikum kommt Widerspruch: Die soziale Mischung gebe es in Berlin doch längst, nur sei diese eben durch zunehmende Verdrängung gefährdet - auch durch die hohen Mieten bei den kommunalen Wohnungsgesellschaften. Die Diskussion zeigt: Es gibt Ansätze für ein sozial gemischtes und verträgliches Wohnen, von den architektonischen Entwürfen bis hin zu Genossenschaftsmodellen oder dem Mietshäusersyndikat. Die Voraussetzung aber muss die Politik schaffen. Joanna Kusiak sagt es deutlich: »Es gibt keine Tradition der Segregation, es gibt nur gute oder schlechte Stadtpolitik.«

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal