Energie für den Geldbeutel
Bürger investieren in Windparks und moderne Heizkraftwerke
Essen. Im rheinischen Revier bei Jüchen drehen sich vier neue Windräder. Für zwei davon konnten Mitarbeiter der RWE-Tochter RWE Innogy bis Pfingsten Kapitalbeiträge von bis zu 50 000 Euro zeichnen. Auf dem Busbetriebshof einer Saarbrücker Stadtwerketochter arbeiten drei moderne Blockheizkraftwerke - mitfinanziert von fast 500 Bürgern und Beschäftigten, die neun Millionen Euro in eine Öko-Schuldverschreibung gesteckt haben.
Bürgerprojekte bei der Energiewende kommen in Mode. Stadtwerke und Versorger freuen sich angesichts geschrumpfter Gewinne über die Mit-Investoren. Sparkassen gewinnen mit »Klimaschutzbriefen« neue Kunden und umweltbewegte Bürger starten Genossenschaftsmodelle. Die Teilhaber pflegen dabei nicht nur ihr Gewissen, sondern können sich angesichts der gesetzlichen Abnahmegarantie des Ökostroms zu Preisen über Marktniveau obendrein über sichere Renditen freuen - im Fall der Ende 2010 gestarteten Saarbrücker Schuldverschreibung sind es vier Prozent Festzins für zehn Jahre.
Anlage zum Ansehen
»Bürgerbeteiligung liegt im Trend«, resümiert die Wirtschaftskanzlei Rödl & Partner nach einer Umfrage bei 1000 Bürgern und 52 Energieversorgern zusammen mit dem Marktforschungsinstitut YouGov und dem Informationsdienstleister Energate. Zwei Drittel der Befragten begrüßten danach die neue Anlageform. Mehr als die Hälfte bescheinigten Versorgern mit Beteiligungsmodellen einen ökologischen Imagegewinn.
»Die Bürger waren mit Herzblut dabei«, berichtet der Leiter Innovative Projekte bei den Saarbrücker Stadtwerken, Falk Ihrig, von dem Blockheizkraftwerkprojekt. »Schließlich können sie ihre Anlagen jeden Tag sehen.« Weitere Beteiligungsprojekte seien geplant, auch wenn eine Rendite von vier Prozent heute wohl nicht mehr möglich sei.
Um die 300 Millionen Euro haben Bürger seit dem Start der Energiewende in 150 bis 200 Beteiligungsmodelle investiert, schätzt der Energieexperte Thomas Kästner von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young - meist in Windparks. Angesichts eines Investitionsbedarfs von mindestens 270 Milliarden Euro für die Energiewende in den nächsten zehn Jahren sei das zwar nur »ein Sahnehäubchen«, aber als Werbeträger für den ökologischen Wandel hält Kästner die Projekte dennoch für wichtig.
Vorteil für die Genehmigung
»Die Bürger werden aktiv eingebunden. Dadurch steigt auch die Akzeptanz für geplante Projekte«, sagt auch Rödl & Partner-Anwalt Christian Marthol. Das ist durchaus nötig: Landauf, landab sorgen gerade Windparks mit ihren 130-Meter-Masten und 90-Meter-Rotoren für wütende Bürgerproteste - wie im idyllischen Klosterort Marienthal am Niederrhein, wo eine Bürgerinitiative vor Kurzem ein Projekt stoppte.
Wenn die Nachbarn mit im Boot sind, sieht die Sache vielfach anders aus, sagt Kästner. Die Arbeiten würden oft an lokale Handwerksbetriebe vergeben, und bei Stadtwerksprojekten bleibe auch ein Gutteil des Gewinns in der Stadt, die ja meist Eigentümerin der Stadtwerke sei. Das bringe durchaus Vorteile bei der Genehmigungspraxis vor Ort, erzählt ein Insider.
Für professionelle Investoren seien die rund 2,5 Prozent Rendite, die derzeit im Schnitt mit Bürgermodellen zu erzielen sind, zwar uninteressant, sagt Kästner. Verglichen mit den Renditen eines Sparbuches lassen sich die Investments aber sehen - vorausgesetzt, der Wind weht dann auch wirklich wie versprochen. Mit dem Mitarbeiter-Windpark würden die RWE-Beschäftigten Windunternehmer und übernähmen das volle Risiko wie ein Eigentümer, sagte der Chef der Essener Ökostromtochter Innogy, Hans Bünting. Dafür gebe es dann aber auch eine »sehr ordentliche Rendite«.
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