Kurs auf Klaipeda

Das Rostocker Denkmalschiff »Georg Büchner« wird Richtung Litauen abgeschleppt

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die »Georg Büchner« ist jetzt auf dem Weg ins litauische Klaipeda. Was dort mit dem Schiff geschieht, ist allerdings unklar. Eine Verschrottung ist offenbar nicht genehmigt.

Gestern gegen 18 Uhr sollte es soweit sein: Die »Georg Büchner«, einstiges Schulschiff der DDR-Handelflotte und in den letzten Jahren Hostel im Rostocker Stadthafen, sollte nach den Vorbereitungsarbeiten der vergangenen Tage seine Reise nach Litauen antreten. Am Sonntagabend hatten sich Freunde des Schiffes noch zu einem gemeinsamen Abschiedsfoto über das Internet verabredet. Dann sollten heute die Schlepper kommen und die unselbstständige Reise des Schiffs über die Ostsee sollte beginnen.

Für die Stadt Rostock ist die Geschichte der »Georg Büchner« damit erledigt. In einer Erklärung unterstrich Oberbürgermeister Roland Methling (parteilos) noch einmal, dass kein »finanziell unterlegtes« Angebot zu einer Übernahme und einem Erhalt und Weiterbetrieb des Schiffes in Rostock oder in Antwerpen eingegangen sei. Und dass die Stadt als Untere Denkmalschutzbehörde daher die denkmalschutzrechtliche Genehmigung zur »Verbringung« des Schiffes geben musste. Dies sei im Einklang mit dem Landesamt für Kultur und Denkmalpflege geschehen, so Methling, der sich bei all denen, die sich bisher für den Erhalt des Schiffes am Stadthafen eingesetzt hatten, bedankte. Ihnen gab er den Rat, sich künftig zum Beispiel für das »Traditionsschiff Typ Frieden« zu engagieren - der 1970 gebaute, ehemalige Überseefrachter »Dresden«, der im IGA-Park vor Anker liegt.

Dennoch lassen einige Schiffsfreunde nicht locker: Sie wollen nun genau beobachten, was in Litauen mit dem Schiff geschieht. Denn anders, als noch vor zwei Wochen allgemein angenommen wurde, stehen einer Verschrottung des Schiffes offenbar erhebliche Hürden entgegen: Denkmalschutzrechtlich ist nur die »Verbringung«, nicht aber eine Verschrottung des Schiffes vorgesehen und genehmigt. Und das ebenfalls zuständige Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie erklärte gegenüber den Landesmedien, dass ein Antrag zur Verbringung ins Ausland zum Zweck der Verschrottung nicht vorliege und man mit einem solchen auch nicht rechne.

Die Verbringung ist also offenbar nur unter der Prämisse genehmigt worden, dass das Schiff gerade nicht verschrottet wird. Man gehe anhand der Genehmigungslage von einem Umbau und einer Weiternutzung aus, erklärte eine Sprecherin des Umwelt-Landesamtes - und kündigte sogar öffentlich an, das weitere Schicksal des Schiffes diesbezüglich beobachten zu wollen. Sollte das Schiff doch verschrottet werden, würden die vorgewarnten litauischen Behörden darauf achten, dass dies nach den strengen und vergleichsweise kostspieligen EU-Standards ablaufe.

Die »Georg Büchner«, 1952 als »Charlesville« in den Dienst der belgischen Kolonialflotte gestellt, ist an eine auf den Seychellen ansässige Schiffsverwertungsfirma verkauft worden, über den Kaufpreis kursierten Zahlen von 750 000 bis 900 000 Euro. Ein historischer Verein aus Antwerpen hatte das Schiff dagegen für einen symbolischen Euro übernehmen wollen - schon Rostock selbst hatte das Schiff nach der Wende für eine Mark von der Deutschen Seerederei übernommen. Die Freunde der »Georg Büchner« argwöhnen nun, die neuen Eigner wollten die EU-Standards umgehen und das Schiff womöglich in Indien oder Bangladesch profitabel abwracken.

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