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Im Reich der Worte
Bad Hersfeld hat das einzige Sprachmuseum in Deutschland - mit über 90 Mitmachstationen
Museen gibt es zuhauf - etwa für alte Fossilien und andere Schätze, zu Oldtimern, Schiffen und Flugzeugen, über berühmte Maler, Musiker und Dichter. Wie aber ist es mit dem Stoff, ohne den Dichter nicht dichten könnten: mit der Sprache? Sprachmuseen gab es bisher nicht. Erst im Herbst 2011 hat sich die Lücke geschlossen. Nun hat Deutschland wenigstens ein Haus dafür, sogar ein großes und fast mitten im Land, im nordhessischen Bad Hersfeld. Es heißt beziehungsvoll »wortreich«.
So verbindend und attraktiv der Stoff auch ist und trotz der zentralen Lage von Bad Hersfeld kommen aus Richtung Osten Besucher bislang nur sehr selten ins »wortreich«. Dabei liegt zum Beispiel Eisenach weniger als 60 Kilometer Kilometer entfernt.
Besser als im »wortreich« lässt sich das alltägliche, aber selten präsentierte Thema kaum vermitteln. Über 90 Mitmach-Stationen stehen zum Dialog bereit, mit ebenso originellen wie weiterführenden Aktionen. Da geht es nicht darum, lange Texte zu lesen, sondern man soll mitraten und mitspielen, soll zeigen, wie und was man denkt. Das »wortreich« ähnelt einem Buch, in dem Geschichten erzählt und lebendig werden, selbst bei Themen wie Sprachforschung, Märchen und tierische Kommunikation.
Das Ensemble findet sich, gegliedert in elf Kapiteln auf 1200 Quadratmetern, in einer alten Fabrik; hier wurden früher Trocknungsanlagen produziert. Als es damit vorbei war, gab es aus mehreren Töpfen einige Millionen Euro für eine sinnvolle neue Nutzung - und für dieses Museum. Damit ließ sich gut arbeiten. Und das heißt in diesem Fall: überlegt, strukturiert, solide, aber auch pfiffig und phantasievoll. Nun wird hier eben mit Sprache gearbeitet - wie nützlich!
Was bedeuten Kürzel wie ISBN, .az, Krf., n. F. und BAT? Woher stammen unsere Namen, was bedeuten sie? Wie unterschiedlich kann man ein und denselben Satz verstehen? Wie funktioniert das mit dem Simultandolmetschen im Europaparlament? Wie klingen welche deutschen Dialekte? Errät man sie, beim Herumtrampeln auf einer großen Karte am Boden? Derlei Fragen begegnen einem hier.
Doch es wird noch viel mehr offeriert: Mit der Figur Konrad als Begleiter - der Name ist kein Zufall - wird man auch zu fremden Sprachen geführt, zu kleinen Theaterszenen (Bad Hersfeld ist schließlich eine traditionsreiche Festspielstadt), zur Sprache in der Liebe und zur Rolle von Geräuschen bei Hörspielen. Wer Lust hat, kann zum Regisseur werden und Geräusche mit Grimmschen Märchenstoffen mischen.
Im Angebot ist ferner Aufklärung zur Mimik und Gestik, zur Messung von Gehirnströmen beim Denken in Sprache, zum Schreiben mit den Augen, zum Sprayen von Graffiti, zur Blindenschrift, zur Sprache der Bienen und zu Tierstimmen ... - das Spektrum ist beeindruckend, oft zugeschnitten auf Kinder und Schulklassen. Diese finden hier einen gefragten »außerschulischen Lernort«, wie die Pädagogen sagen.
Auf einem Tisch liegen bunt gemischt Teile zum Innenleben eines Computers - Fingerzeige auf den, der auch in Bad Hersfeld an den ersten Rechnern werkelte: Konrad Zuse. Gemeinsam mit seinem Vornamensvetter Duden hat er den Museumsbegleiter Konrad inspiriert. So unterschiedlich Zuse und Duden mit Kommunikation zu tun hatten (Zuse etwa auch durch seine Programmiersprache Plankalkül), so wegweisend blieb ihr Einsatz, so gut ergänzen sie sich in einem Doppeldenkmal an der Stiftsruine.
Dem Rechtschreibpionier Duden begegnet man in Hersfeld, wo er als Schuldirektor von 1876 bis 1905 wirkte, ferner als Namensgeber einer Straße und des Gymnasiums. Auch ist ihm ein kleines Museum gewidmet, zugänglich freilich nur sonntags für zwei Stunden. Daraus müsste sich im Sinn des »wortreichs« mehr machen lassen. Das steht 364 Tage im Jahre offen - Montag bis Freitags von 9 bis 17 Uhr, am Wochenende und an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr. Für Neugierige aus Nord und Süd, aus West und Ost.
Informationen im Netz unter: www.wortreich-badhersfeld.de
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