Regenschirme als Rechtsbeistand

Eine Woche nach dem Kessel: Blockupy lässt sich Demonstrationsrecht nicht nehmen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Woche nach den Polizeiübergriffen gegen die Blockupy-Demonstration in Frankfurt am Main formierten Demonstranten am Sonnabend in der Bankmetropole überraschend deutlichen Protest.

Ursprünglich als regionale Protestveranstaltung gegen die stundenlange Einkesselung von 1000 Demonstranten am letzten Wochenende geplant, kam es am Sonnabend in Frankfurt am Main zur erneuten Großdemonstration. Der vierstündige Zug schwoll zeitweilig auf weit über 12 000 Teilnehmer an, andere Schätzungen gingen sogar von 20 000 Menschen aus. Viele trugen Schirme, Sonnenbrillen in Übergröße oder Guy- Fawkes-Masken der Occupy-Bewegung und spielten damit auf die angebliche »Vermummung« und »passive Bewaffnung« an, die eine Woche zuvor zur Rechtfertigung der Polizeigewalt gedient hatte. Auffällig war die geringe Präsenz von rund 150 Polizeibeamten, die den Verkehr regelten.

Die meisten Demonstranten waren am 1. Juni nicht dabei, wollten nun aber, aufgerüttelt durch Medien- und Augenzeugenberichte, »Flagge zeigen«, »gegen die unsäglichen Zustände auf die Straße gehen« oder »die Grundrechte verteidigen«, wie sich Teilnehmer gegenüber »nd« äußerten. Unübersehbar war auch die Solidarität mit der Protestbewegung in der Türkei. So kamen auch Vertreter linker türkischer Organisationen in der Bundesrepublik zu Wort. »ResIstanbul« hatte einer von ihnen auf sein Schild gemalt.

Am Schauplatz des stundenlangen Kessels vor einer Woche verteilte eine junge Frau, die hier mit eingesperrt war, ihren Augenzeugenbericht auf kopierten Blättern. Sie beschreibt darin »Bilder, die mir nicht mehr so schnell aus dem Kopf gehen«. Unvergessen dürften für sie auch die Worte eines Polizeibeamten bleiben: »Ich schlage dir die Birne zu Matsch.« Für die Frankfurter Stadtverordnete Jutta Ditfurth steht fest: »Es sollte keine Botschaft der Solidarität aus einem Zentrum des Kapitalismus, aus dem Herzen der Bestie, nach Madrid, Rom, Athen oder auf den Taksim-Platz ausstrahlen.«

Der Kabarettist Urban Priol hatte das Publikum auf seiner Seite, als er gegen Banken und Politiker austeilte. Wer das Wort Bundeskanzlerin in der Buchstabensuppe lange genug drehe und wende, bekomme ein »Bankzinsenluder.« Leider trauten sich noch zu wenige Menschen, die Kapitalismuskrise beim Namen zu nennen. »Macht weiter so«, rief er den Demonstranten zu. Sichtbar vertreten waren auch Gewerkschaften, LINKE, Grüne, SPD und Piratenpartei. Das Hessische Sozialforum unterbrach seine Tagung und solidarisierte sich mit der Demonstration.

Zum Auftakt hatte Michael Erhardt von der IG Metall Frankfurt an die Polizeibeamten appelliert, sich nicht für das Niederknüppeln von Krisenprotesten von Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) missbrauchen zu lassen. »Wir haben heute das Demonstrationsrecht und den liberalen Ruf Frankfurts verteidigt und werden auch auf das Streikrecht nicht verzichten, wenn es härter kommt«, erklärte der DGB-Regionsvorsitzende Harald Fiedler bei der Abschlusskundgebung.

»Blockupy ging gestärkt aus dem Kessel hervor«, bilanzierte das Bündnis den Tag. Nächster Meilenstein der Proteste könnte die für 2014 geplante Einweihung der neuen Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) im Frankfurter Osten sein. Unterdessen haben namhafte Protestforscher und Polizeiexperten in einem Offenen Brief an die hessische CDU-FDP-Landesregierung das Vorgehen der Polizei am 1. Juni als »nicht hinnehmbare Eskalation« kritisiert. Die Unterzeichner verlangen eine Aufarbeitung der Übergriffe.

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