Ruf nach schneller Enteignung

Hochwasserschutz scheitert oft an Gesetzen

  • Sven Eichstädt
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch wenn entlang der Elbe weitegegen die Fluten angekämpft wird, ist die Debatte um den künftigen Hochwasserschutz schon in voller Fahrt. Forderungen nach Enteignungen werden erhoben.

Mit dem Hochwasser kommt nicht nur Kritik an mangelndem Hochwasserschutz hoch. Es sei seit der als Jahrhunderthochwasser titulierten Flut von 2002 zu wenig gegen Katastrophen unternommen worden. Darüber hinaus tauchen Forderungen auf, für einen besseren Überschwemmungsschutz auf Enteignungen zurückzugreifen.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der sich in gut drei Monaten mit seiner Koalition aus CSU und FDP zur Wiederwahl stellt, hat Enteignungen von Grundstückseigentümern in die Diskussion gebracht, um neue Ausweichflächen und Rückhaltegebiete für Flüsse schaffen und Deiche weiter ins Landesinnere verlegen zu können. Sein Umweltminister Marcel Huber (CSU) soll schon in den nächsten Tagen einen Plan für einen besseren Hochwasserschutz vorlegen und dabei auch »klären, ob das bestehende Recht ausreicht«, um Enteignungen durchzuführen.

Können Enteignungen einfach so angeordnet werden? Begrenzt werden Enteignungen zunächst durch die Vorgaben des Grundgesetzes, wonach laut Artikel 14 Eigentum und Erbrecht gewährleistet werden sollen. Zwar enthält dieser Artikel 14 auch Bestimmungen zu Enteignungen, die diese allerdings stark einschränken. Die Entschädigung solle unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten bestimmt werden. Außerdem steht, wenn keine Einigkeit über die Höhe der Entschädigung erzielt werden kann, der Rechtsweg offen.

Damit müssen Behörden zahlreiche Hürden überspringen, bevor sie auf Enteignungen zurückgreifen können. Dass allein schon die Bestimmung, was im Wohle der Allgemeinheit sei, äußerst schwierig ist, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. In der vergangener Woche befasste es sich mit den Enteignungen für den Braunkohletagebau Garzweiler in Nordrhein-Westfalen. Hier liegt zwar mit Paragraf 160 des Bundesberggesetzes eine Gesetzesregelung vor, wie sie das Grundgesetz verlangt und die Enteignungen ermöglicht, wenn ohne sie eine Beeinträchtigung des Wohles der Allgemeinheit zu erwarten sei. Doch genau die Definition eines Wohles der Allgemeinheit ist nicht einfach zu vollziehen, zumal wenn sich die Anwohner, die in Karlsruhe klagen, auf ein »Recht auf Heimat« und ebenfalls auf einen Grundrechtsartikel des Grundgesetzes berufen. Für den Hochwasserschutz könnten zwar unter Hilfe von Paragraf 87 des Baugesetzbuches, der ebenfalls die Voraussetzungen von Enteignungen regelt, Enteignungen angestrengt werden. Doch auch hier gelten die strengen Vorgaben des Grundgesetzes. Hinzu kommt, dass Enteignungen für die öffentliche Hand in allen Fällen durch die Vorgabe, Entschädigungen zahlen zu müssen, mit nicht geringen Kosten verbunden sind. Außerdem kann sich eine endgültige Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von Enteignungen und die Höhe von Entschädigungen über Jahre hinziehen, wenn Verfahren durch alle Instanzen verhandelt werden.

Für einen schnellen Hochwasserschutz, der nicht mehrere Jahre warten soll, ist das abträglich. In diese Richtung geht die Forderung von Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), der am Freitag davon gesprochen hatte, generell die sogenannten Planfeststellungsverfahren reformieren zu wollen, um den Flutschutz schneller zu verwirklichen. Als Vorbild nannte er den Aufbau Ost, bei dem das Bundesverwaltungsgericht als erste und letzte Instanz für Klagen vorgesehen gewesen war - was schnellere Entscheidungen ermöglicht hatte.

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