Karlsruhe entscheidet vielleicht über EZB

Verhandlung zu Ankauf von Staatsanleihen begann

  • Lesedauer: 3 Min.
Das Bundesverfassungsgericht steht vermutlich vor der schwierigsten Entscheidung seiner Geschichte. Unklar ist, ob es überhaupt entscheiden darf oder ob der Fall nach Luxemburg zum Europäischen Gerichtshof muss.

Karlsruhe (AFP/nd). Für die Eurogegner ist ihre Klage gegen die Finanzpolitik der europäischen Zentralbank (EZB) die große Chance, »das Euro-Abenteuer zum Wohle Deutschlands zu Ende zu führen«. So pathetisch formulierte der Rechtsgelehrte Karl Albrecht Schachtschneider am Dienstag vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Ziel der Kläger. Doch ob er und all die anderen überhaupt klageberechtigt und die Verfassungshüter entscheidungsbefugt - das prägte den Auftakt des größten Verfahrens in der Geschichte des Karlsruher Gerichts.

Anlass der Klagen, die unter anderem von dem CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler (CSU) stammen, ist die Ankündigung der EZB vom vergangenen September, notfalls Anleihen klammer Eurostaaten in unbegrenzter Höhe anzukaufen, um damit die Finanzmärkte zu beruhigen. Allein diese Ankündigung der EZB sorgte umgehend zur erhofften Beruhigung der Finanzmärkte und zu sinkenden Zinsen.

Für die Kläger überschritt die Zentralbank damit eindeutig ihr im Maastricht-Vertrag umrissenes Mandat der Geldwertstabilität: Die EU-Verträge verbieten eine Staatsfinanzierung per Notenpresse ausdrücklich. Nichts anderes tue die EZB aber beim Kauf von maroden Staatsanleihen. Müsse Deutschland dann automatisch für dreistellige Milliardenbeträge haften, könnte dies die Haushaltsautonomie des Bundestags und die Eigentumsrechte der Bürger aushebeln.

Doch darf Karlsruhe überhaupt prüfen, ob sich die EZB, die politisch unabhängig und an keine Weisungen gebunden ist, bei der Ankündigung des OMT genannten Ankaufprogramms korrekt verhalten hat?

Nein, meint Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). In Karlsruhe verwies er am Dienstag darauf, dass die Unabhängigkeit der EZB sogar vom BVerfG in dessen Maastricht-Urteil betont worden sei. Karlsruhe könne deshalb ebenso wenig wie ein anderes nationales Gericht über die EZB urteilen. Urteilen dürfe allein der Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, so Schäuble. Doch dort können nur EU-Organe oder Regierungen gegen sogenannte ausbrechende Rechtsakte der EZB klagen, einzelne Bürger nicht.

Karlsruhe steht nun Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle zufolge vor »schwierigsten Rechtsfragen«. Nur mit dem Maßstab des Grundgesetzes könne es prüfen, ob die EZB Kompetenzen in Anspruch nimmt, die ihr nicht übertragen wurden. Käme es zu solch einem Ergebnis, wäre die allein EU-Recht unterworfene EZB daran nicht gebunden. Die Verfassungshüter könnten nach Ansicht der Klagegegner nur ein folgenloses Feststellungsurteil treffen und den Fall dem EuGH vorlegen - was für die Kläger schon ein Rückschlag wäre: Bislang urteilten die Luxemburger Richter sehr EU-freundlich.

Doch wie auch immer das Verfahren ausgehen wird - das wird BVerfG sich Zeit lassen. Erst nach den Bundestagswahlen im Herbst wird die Entscheidung erwartet.

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